Swisscom krebst zurück
David gegen Goliath
Bei P2MP hingegen kann Swisscom ihren Mitbewerbern wegen der Splittung auf dem Endkundenanschluss keinen freien Layer-1-Zugang mehr anbieten, weil die Glasfaser ab Kabelschacht beschaltet ist. Zwar erhalten alternative Provider einen logischen Zugang zum Kundenanschluss, der aber auf einem höheren Layer mit vorgegebener Übertragungs- und Anschlusstechnik erfolgt. Auch ein physischer Zugang ab Kabelschacht wurde offeriert, der jedoch mit hohen Kosten verbunden ist. Dagegen klagte der kleine Anbieter Init7 mit Erfolg und zwang Swisscom schlussendlich dazu, bei FTTH wieder zum Vierfasermodell zurückzukehren.
Die Weko sprach hier von «Vorleistungen» der Swisscom, auf welche die Mitbewerber angewiesen sind. Laut Weko «wird damit eine Wettbewerbssituation geschaffen, die derjenigen vor der Regulierung der Kupferkabelinfrastruktur von Swisscom gleicht.» Die Weko erkannte «in der Verhaltensweise von Swisscom Anhaltspunkte für ein kartellrechtswidriges Verhalten, durch welches Wettbewerber von Swisscom beim Zugang zur Netzwerkinfrastruktur erheblich beeinträchtigt werden können». Eine Marktbeherrschung liegt in der Regel dann vor, wenn der Marktanteil 50 Prozent übersteigt, was hier gegeben ist.
So wurde Swisscom am 14. Dezember 2020 verpflichtet, anderen Fernmeldedienstanbietern «unabhängig von der von Swisscom gewählten Netzwerkarchitektur weiterhin den Zugang zur physischen Netzwerkinfrastruktur zu gewähren. Bis auf Weiteres wurde ein Baustopp für die verbaute Splittertechnik verfügt, gegen den Swisscom erfolglos klagte. Denn am 29. November 2022 bestätigte nach dem Bundesverwaltungsgericht auch das Bundesgericht das Vorgehen der Weko.
Erneuter Strategiewechsel: doch wieder P2P
Vielleicht in Vorahnung der Entwicklung verzichtet Swisscom nach eigenen Angaben bereits seit Oktober 2022 auf optische Splitter und baut ihr FTTH nun wieder mit vier Glasfasern pro Anschluss. Damit wird eine zentrale Forderung von Swissfibrenet erfüllt. Der breite Technologiemix im häppchenweisen Ausbau von «Ultrabreitband» mit allen möglichen Hybridtechnologien sowie mit reinem FTTH und optischen Splittern verursachte am Ende unnötigen Aufwand – nicht zuletzt wegen der Gerichtskosten und der im Laufe von 2023 zu erwartenden Busse in noch unbekannter Höhe. Gespart hat Swisscom damit rein gar nichts, vom erneuten Imageschaden zu schweigen. Zudem wird sie mit hoher Wahrscheinlichkeit die etwa 400 000 bereits mit optischen Splittern eingerichteten FTTH-Anschlüsse wieder auf vier Fasern zurückbauen müssen – ein ökonomisches Desaster.
Autor(in)
Rüdiger
Sellin