Schweizer Urheberrecht
11.06.2014, 09:08 Uhr
Neue Geschäftsmodelle statt staatlicher Zwang
Der Schweizer IT-Dachverband ICTswitzerland äussert sich zu den Urheberrechtsaktivitäten des Schweizer Bundesrates und macht Vorschläge dazu.
Der Bundesrat will das Urheberrecht modernisieren, wie er in einer Mitteilung vom 6. Juni 2014 bekannt gab. Grundlage für die Revision bildet ein Schlussbericht der Arbeitsgruppe zum Urheberrecht (AGUR12) vom November 2013.
ICTswitzerland, die Dachorganisation der Verbände sowie der Anbieter- und Anwenderunternehmen von Informations- und Kommunikationstechnologien (ICT), anerkennt die Bedeutung des Urheberrechts und setzt sich für legale und benutzerfreundliche Dienste zum Download und Streaming von Musik, Film und anderen geschützten Werken ein. Die Gesetzesrevision sollte neben dem Schutz der Kulturschaffenden aber auch die berechtigten Interessen der involvierten Dienstleister berücksichtigen. Unverhältnismässige Verpflichtungen für Internet Service Providern (ISP) zur Bekämpfung der Piraterie sind zu vermeiden.
ICTswitzerland setzt sich für neue Geschäftsmodelle ein, welche die technischen Möglichkeiten des Internets verwenden, um nutzergerechte Angebote zu schaffen. Dienste wie Spotify oder iTunes im Bereich der Musik und Teleboy oder Netflix im Bereich von TV Serien zeigen den Weg und beweisen, dass Nutzer bereit sind, für internetgerechte Angebote zu bezahlen. Auf diese Weise generieren Online Plattformen Einnahmen für die Urheberrechtsindustrie. Nur wenn die Konsumenten Zugang zu legalen und einfach zu nutzenden Diensten haben, kann die Bekämpfung illegaler Angebote Akzeptanz finden.
Weil kommerziell agierende Verletzter von Urheberrechten verdeckt operieren, sehen sich die als Zugangs- oder Hostingprovider tätigen Intermediäre seit längerer Zeit mit Vorwürfen und Forderungen im Zusammenhang mit Pirateriebekämpfung konfrontiert. Auch die AGUR12 will den Internet Service Providern weitergehende Verpflichtungen bei der Pirateriebekämpfung auferlegen. Die von der AGUR12 vorgeschlagenen Massnahmen wie etwa die Verpflichtung, unter gewissen Umständen eine Wiederholung von Rechtsverletzungen durch Dritte zu verhindern („stay down“), Zugangssperren und Warnhinweise sind überschiessende Forderungen und dementsprechend abzulehnen. ISP dürfen nicht für die Inhalte ihrer Kunden verantwortlich gemacht werden. Sie dürfen auch nicht in die Kommunikation ihrer Kunden eingreifen.
Die Urheberrechtspiraterie ist an der Quelle zu bekämpfen, indem gemäss dem „follow the money“-Ansatz die illegalen Piraterie-Betreiber verfolgt werden. Staatlich verordnete Zwangsmassnahmen für ISP werden den technischen Entwicklungen nicht gerecht. Sie gefährden den technischen Fortschritt und den Wirtschaftsstandort Schweiz. Neue Geschäftsmodelle brauchen eine gewisse Zeit, bis sie greifen. Die internationalen Zahlen zeigen aber, dass Streaming Angebote bereits jetzt 40 Prozent des weltweiten Gesamtumsatzes der Musikindustrie ausmachen und weiter geradezu explosionsartig wachsen. ICTswitzerland ist deshalb davon überzeugt, dass Investitionen in alternative Modelle der weitaus effektivere Weg ist, Piraterie zu bekämpfen, als sich auf die Schaffung restriktiverer Gesetze zu konzentrieren. Der Gesetzgeber sollte davon absehen, hergebrachte Geschäftsmodelle zu zementieren und hierdurch Innovation zu verhindern. ICTswitzerland unterstützt den Entscheid des Bundesrats auf eine Kulturflatrate für alle Nutzungen im Internet zu verzichten.
ICTswitzerland würde es begrüssen, wenn die ICT-Branche besser in die weiteren Arbeiten zur Revision des Urheberrechts eingebunden würde. Die AGUR12 war stark durch Verwertungsgesellschaften und Rechteinhaber geprägt. Leider scheint die Zeit oder der Wille gefehlt zu haben, für umstrittene Themen und neue Fragestellungen unter Einbezug der Nutzer und Intermediäre neue Lösungsansätze zu entwickeln.