Kennzeichnung von Werbung
17.09.2018, 11:03 Uhr
Instagram: Die Angst vor der Abmahnung
Aus Angst vor Bussgeldern kennzeichnen Influencer auf Instagram jetzt so gut wie alle ihrer Posts als Werbung. Muss das wirklich sein? Und: Was bedeutet das für Werbungtreibende?
Die Szene der Influencer befindet sich derzeit in heller Aufregung. Plötzlich kennzeichnen alle ihre Postings auf Instagram als "Werbung". Versteckten die Social-Media-Stars vor Kurzem noch Wörter wie #ad oder #werbung irgendwo hinten in einer Hashtag-Wolke, steht die Kennzeichnung nun ganz am Anfang. Und das bei jedem Beitrag. Die Beauty-Bloggerin Farina Opoku zum Beispiel, der unter @novalanalove auf Instagram 841.000 Abonnenten folgen, hat inzwischen nachträglich sämtliche Beiträge mit dem Wort Werbung oder Anzeige gekennzeichnet. Andere Stars der Social-Media-Szene agieren ähnlich.
Schuld an der inflationären Werbe-Kennzeichnung ist ein Urteil des Landgerichts Berlin. Verkürzt gesagt, gehen die Richter in ihrem Urteil davon aus, dass Influencer, die über 50.000 Follower haben, bei ihren Postings rein geschäftliche Interessen verfolgen - auch wenn sie Klamotten zeigen, die sie sich selbst gekauft haben, oder Produkte empfehlen, ohne dafür Geld erhalten zu haben. Sie stehen gewissermassen unter dem Generalverdacht, ihre Anhänger nur deshalb mit Fotos, Filmen und Text zu unterhalten, um an neue Aufträge zu kommen. Zahlreiche Blogger fürchten seit diesem Urteil eine Abmahnung und schreiben sogar neben Postings, für die sie kein Geld erhalten haben, "Anzeige/Markennennung" oder "Werbung #unbezahlt". Motto: lieber eine unsinnige Kennzeichnung als eine Abmahnung oder andere juristische Scherereien.
Nicht wenige Juristen halten dies für eine überzogene Reaktion. Sie verweisen darauf, dass sich das Urteil des Landgerichts Berlin auf einen ganz speziellen Fall bezieht. Als Faustregel gelte dagegen in den allermeisten Fällen: Gekennzeichnet werden muss ein Beitrag nur dann, wenn der Influencer dafür eine Gegenleistung erhalten hat (siehe Interview, Seite 2).
User wissen, was sie auf Instagram erwartet
Dennoch mahnen Agenturen und Unternehmen zu Vorsicht. Denn falls es wegen der Kennzeichnung zu rechtlichen Auseinandersetzungen kommt, sind auch sie in der Verantwortung. "Wenn ein Kunde einen Influencer dafür bezahlt, sein Produkt zu bewerben, so ist der Influencer verpflichtet, seinen Post als Werbung zu kennzeichnen", sagt Stefan Schumacher, Chef von Terrritory Influence. "Tut er dies nicht, müssen sowohl Kunde als auch Influencer rechtliche Konsequenzen fürchten." Christian Chyzyk, CEO der Influencer-Plattform Reach Hero, rät sogar, keinerlei Angriffsflächen zu bieten. "Um Abmahnungen vorzubeugen, raten wir Influencern, wirklich relativ konsequent selbst marginale Marken- und Produktnennungen als Werbung zu kennzeichnen."
Bis die Rechtslage wirklich eindeutig ist, wird es nach Meinung von Experten noch dauern. Bis dahin wird man sich damit abfinden müssen, dass auf Instagram überall und in unterschiedlichsten Formen auf Werbung hingewiesen wird. Geholfen ist damit niemandem - den Influencern nicht, den Werbungtreibenden auch nicht. "Wenn am Ende jeder Beitrag - aufgrund der Furcht, abgemahnt zu werden - als Werbung gekennzeichnet wird, dann ist nichts gewonnen und niemand blickt mehr durch, was wirklich Werbekooperation ist und was nicht", sagt Christian Chyzyk.
Das Kennzeichungs-Chaos schadet Instagram nicht
Dass damit mittelfristig eine Entwertung der Plattform Instagram verbunden ist, glaubt indes auch kaum jemand. Verschiedene Umfragen belegen vielmehr, dass die User sehr wohl einschätzen können, welche Art Botschaften sie dort erwarten. Anders ausgedrückt: Ist der Influencer cool oder das Produkt angesagt, ist es ihm egal, ob es sich bei dem Post um Werbung handelt oder eine neutrale Empfehlung. "In der Praxis sehen wir derzeit nicht, dass sich Fans von ihren Influencern abwenden", sagt Schumacher. "Aus diesem Grund entstehen für Werbekunden keine negativen Auswirkungen." Dies bestätigt Barbara Soltysinska, Gründerin der Influencer-Marketing-Plattform Inda-Hash. "Beim Engagement sehen wir keinen Unterschied zwischen Posts zu Marken mit oder ohne Werbekennzeichnung."
Branchenexperten gehen davon aus, dass sich die Grenzen, was gekennzeichnet werden muss und was nicht, noch öfter verschieben werden. Die Debatte belege vor allem eines: den Stellenwert des Influencer Marketing, sagt Stefan Schumacher. "Die aktuelle Entwicklung zeigt, welche Relevanz dieser Bereich mittlerweile einnimmt."
Die aktuelle Rechtslage für Influencer
Eine Abmahnwelle rückt das Thema Influencer Marketing in Sachen Kennzeichnungspflicht wieder in den Fokus. Welche Anforderungen stellt das Gesetz an die Markierung von Werbung? Kathrin Schürmann und Dominik Schmidt, Rechtsanwälte bei Schürmann Rosenthal Dreyer, fassen zusammen, was jetzt zu beachten ist.
Wann muss gekennzeichnet werden?
Als Faustregel gilt grundsätzlich, dass gekennzeichnet werden muss, wenn eine wirtschaftliche Gegenleistung für einen Beitrag geflossen ist. Ob es sich dabei um Geld oder Sachleistungen handelt, ist egal, solange das werbetreibende Unternehmen quasi einen Content "einkauft".
Als Faustregel gilt grundsätzlich, dass gekennzeichnet werden muss, wenn eine wirtschaftliche Gegenleistung für einen Beitrag geflossen ist. Ob es sich dabei um Geld oder Sachleistungen handelt, ist egal, solange das werbetreibende Unternehmen quasi einen Content "einkauft".
Ein Blogger, der über ein Hotel berichtet, muss seinen Beitrag als Werbung kennzeichnen, wenn er dafür eine Gegenleistung erhalten hat. Hat er hingegen für den Aufenthalt bezahlt und möchte dennoch seine Meinung abgeben, ist ein Hinweis entbehrlich.
Wie muss eine richtige Kennzeichnung aussehen?
Eine richtige Kennzeichnung ist transparent und sieht deshalb so aus, dass die jeweiligen Adressaten die Werbung auch als solche erkennen können. Bei der Kennzeichnungspflicht kommt es deshalb auch immer darauf an, wie der Adressat den Content verstehen konnte: als Werbung oder redaktionelle Meinungsäusserung.
Wie muss eine richtige Kennzeichnung aussehen?
Eine richtige Kennzeichnung ist transparent und sieht deshalb so aus, dass die jeweiligen Adressaten die Werbung auch als solche erkennen können. Bei der Kennzeichnungspflicht kommt es deshalb auch immer darauf an, wie der Adressat den Content verstehen konnte: als Werbung oder redaktionelle Meinungsäusserung.
Laut einem Urteil des Bundesgerichtshofs (Urteil vom 06.02.2014, Az.: I ZR 2/11 - GOOD NEWS II) soll die Bezeichnung #sponsoredby nicht ausreichen, da User hieraus nicht die werbliche Motivation entnehmen könnten. Fraglich ist, ob diese Begründung mit Blick auf die Adressaten, die mit Anglizismen des Internets aufwachsen, wirklich zeitgemäss ist.
Gleichwohl gilt für die Kennzeichnung von Werbung der Grundsatz: je klarer, desto sicherer. Daher bieten sich natürlich ganz klare Begriffe wie Werbung, Anzeige oder Werbeanzeige an, zumal diese von den Gerichten bisher kaum beanstandet wurden.
Influencer Marketing wird Gericht weiter beschäftigen
Es bleibt abzuwarten, ob sich die Urteile der Gerichte an das Zielpublikum von Influencern anpassen und die Anforderungen dementsprechend etwas „gelockert“ werden. In der Szene weithin bekannte Begriffe wie #ad und #sponsoredby könnten durchaus die Anforderungen an die Kennzeichnungspflicht erfüllen.
Influencer Marketing wird Gericht weiter beschäftigen
Es bleibt abzuwarten, ob sich die Urteile der Gerichte an das Zielpublikum von Influencern anpassen und die Anforderungen dementsprechend etwas „gelockert“ werden. In der Szene weithin bekannte Begriffe wie #ad und #sponsoredby könnten durchaus die Anforderungen an die Kennzeichnungspflicht erfüllen.
Klar ist: Influencer Marketing wird Abmahner und Gerichte auch zukünftig beschäftigen.
Um Angriffe abzufedern, ist es deshalb auch insbesondere für Werbe- und Online-Marketing-Agenturen mehr denn je wichtig, zur Absicherung wichtige Bestandteile des Influencer Marketings vertraglich festzuhalten.