Neue Regeln für Plattformen
22.06.2020, 07:00 Uhr
Deutsches Gesetz gegen Hass im Netz beschlossen
Der deutsche Bundestag hat ein ganzes Gesetzespaket gegen Hass und Hetze im Netz verabschiedet. Eine wichtige Änderung: Soziale Netzwerke wie Facebook und Twitter müssen bestimmte Posts künftig nicht nur löschen, sondern sofort dem Bundeskriminalamt (BKA) melden.
Wer im Internet hetzt, Menschen bedroht und drangsaliert, muss künftig mit deutlich härteren Strafen rechnen. Der Bundestag verabschiedete am Donnerstag ein ganzes Gesetzespaket gegen Hass und Hetze im Netz. "Wir senden damit das ganz klare Signal aus, dass wir diese Taten nicht hinnehmen und uns mit Nachdruck dagegen zur Wehr setzen", erklärte Justizministerin Christine Lambrecht (SPD). Im Extremfall kann sogar ein Like auf Facebook künftig eine harte Strafe nach sich ziehen - wenn der Nutzer durch eine grosse Reichweite sehr viel öffentliche Aufmerksamkeit auf einen Hass-Post lenkt.
Lambrecht warnte, aus Worten im Internet könnten schnell Taten werden und verwies auf den Mord am Kasseler Regierungspräsidenten Walter Lübcke, den antisemitischen Terroranschlag in Halle und die rassistischen Morde in Hanau. "Wer hetzt und droht, muss mit Anklagen und Verurteilungen rechnen", betonte sie. "Das sind entschlossene Schritte gegen Menschen- und Demokratiefeinde, die ein gefährliches Klima der Gewalt schüren."
Die AfD warf den Regierungsfraktionen vor, mit dem Gesetz die Meinungsfreiheit massiv einzuschränken. Grenzen würden bewusst verwischt. Die Union widersprach: Es gehe nicht darum, Meinung zu unterdrücken, sondern die Meinungsfreiheit im Netz zu schützen.
Die Änderungen im Detail
1. Meldepflicht für Hass im Netz
Soziale Netzwerke wie Facebook und Twitter müssen bestimmte Posts künftig nicht nur löschen, sondern sofort dem Bundeskriminalamt (BKA) melden. Um die Täter schnell zu identifizieren, müssen sie auch IP-Adressen weitergeben. Das umfasst etwa Neonazi-Propaganda, die Vorbereitung einer Terrortat, Volksverhetzung, Gewaltdarstellungen, aber auch die Billigung von Straftaten, Mord- und Vergewaltigungsdrohungen sowie die Verbreitung von Missbrauchsfotos und -videos.
Bei besonders schweren Straftaten wie Terrorismus und Tötungsdelikten sollen nach einem Richterbeschluss auch Passwörter verlangt werden dürfen. Sind die Passwörter bei den Anbietern verschlüsselt gespeichert, werden sie auch genauso übermittelt.
2. Härtere Strafen für Bedrohungen
Wer anderen Körperverletzung oder sexuelle Übergriffe androht oder ankündigt, etwa das Auto des anderen anzuzünden, begeht künftig eine Straftat - wie bisher nur bei Morddrohungen. Für solche Äusserungen im Internet drohen Freiheitsstrafen von bis zu zwei Jahren, bei öffentlichen Morddrohungen von bis zu drei Jahren.
Beleidigungen im Internet sollen ebenfalls mit bis zu zwei Jahren Haft bestraft werden. "Öffentliche Beleidigungen sind laut und aggressiv, für Betroffene können sie wie psychische Gewalt wirken", argumentiert die Bundesregierung.
3. Billigung von Straftaten
Bisher ist es nur strafbar, bereits begangene Taten öffentlich zu befürworten - künftig gilt das auch für angekündigte Straftaten. "Dies richtet sich gegen Versuche, ein Klima der Angst zu schaffen", erklärte das Justizministerium.
Ein Beispiel: Wenn jemand im Internet die Aussage befürwortet, ein Mensch gehöre "an die Wand gestellt". Ob ein einfaches Like unter einem Post dafür ausreicht, hängt unter anderem davon ab, welche Reichweite der Nutzer hat. Die Gerichte müssen beurteilen, ob er mit seiner Befürwortung "den öffentlichen Frieden stört".
4. Mehr Schutz für Kommunalpolitiker
Kommunalpolitiker werden unter den besonderen Schutz des Paragrafen 188 des Strafgesetzbuches gestellt. Der schützt eine "im politischen Leben des Volkes stehende Person" vor übler Nachrede und Verleumdung. Angewendet wird er bislang vor allem bei Bundes- und Landespolitikern.
Auch Angriffe auf medizinisches Personal in Notaufnahmen, auf Ärzte und Pfleger, sollen härter bestraft werden - genauso wie es bisher schon für Angriffe auf Polizisten, Feuerwehrleute und Soldaten vorgesehen ist. Für solche Attacken drohen bis zu fünf Jahre Haft.
5. Antisemitische Taten
Wenn es für eine Tat antisemitische Motive gibt, soll das künftig strafverschärfend wirken. So sollen auch die Ermittlungsbehörden besonders sensibilisiert werden. Die Änderung ist laut Ministerium eine Reaktion auf einen enormen Anstieg registrierter antisemitischer Straftaten. Seit 2013 hätten diese um 40 Prozent zugenommen.
6. Sperren im Melderegister
Lokalpolitiker, Ehrenamtler und Journalisten können künftig einfacher verhindern, dass Unbekannte ihre Adresse rausfinden. Auskunftssperren für ihre Daten im Melderegister werden erleichtert. Derzeit kann jeder den vollen Namen und die Anschrift anderer bei den Behörden erfragen. Wenn es ein "berechtigtes Interesse" gibt, sind auch Auskünfte etwa zu Familienstand und Staatsangehörigkeiten möglich.