Urheberrechtsreform: Der Paradigmenwechsel
Das Leistungsschutzrecht ist beschlossene Sache
Den Initiatoren der EU-Richtlinie geht es aber nicht nur darum, die rechtswidrige Nutzung von urheberrechtlich geschützten Materialien zu verhindern. Die für alle Beteiligten profitablere Variante wäre es, solche Inhalte zu lizenzieren. Google und Co. könnten also - so die Logik hinter der Richtlinie - einfach Lizenzabkommen mit den Rechteinhabern abschliessen und so den Autoren, Fotografen und Künstlern, aber auch den beteiligten Verlagen ihren gerechten Anteil zukommen zu lassen. Das Stichwort dazu lautet Leistungsschutzrecht.
Vor allem deutsche Medienhäuser fordern schon lange ein solches Schutzrecht, sie wollen daran beteiligt werden, dass Google Inhalte ihrer Artikel veröffentlicht und so als News-Aggregator Geschäfte macht mit Content, den das Unternehmen nicht selbst geschaffen hat. Entsprechend positiv fiel deshalb die Reaktion der Verlegerverbände VDZ und BVZD aus. In einer Stellungnahme heisst es: "Die Zustimmung zur Reform ist ein 'ja' zur digitalen Zukunft von Kultur und Medien und zu einer lebendigen und vielfältigen Kreativlandschaft in Europa.“ Für viele Internet-Aktivisten geht dieser Ansatz völlig am Geist des Internets vorbei. Sie gehen davon aus, dass alles, was im Netz steht, auch frei weiterverarbeitet werden kann.
Die Verleger argumentieren, dass sie nicht anders gestellt werden wollen als Musiker oder Autoren. Für sie gibt es bereits seit Jahrzehnten Verwertungsgesellschaften, die Tantiemen einsammeln und an die Wahrnehmungsberechtigten ausschütten. Dabei lebt eine VG Wort von Beiträgen, die Hersteller von Kopierern, Scannern und Druckern für jedes Gerät abführen. Damit sind die Tantiemen für Texte, die mit solchen Geräten kopiert werden, quasi pauschal beglichen, und die Autoren freuen sich über ein Zubrot. Ähnlich verfährt die Gema, die in Deutschland rund 10.000 Musiker und Filmemacher vertritt. Wer in der Öffentlichkeit Musik- oder Filmdarbietungen zugänglich macht, muss zahlen - und die Gema gibt das gesammelte Geld an die Künstler weiter.
Wie schlecht dieses System in der digitalen Welt funktioniert, zeigen die Online- und die Gesamtumsätze der Musikverwertungsgesellschaft: Während die Gema insgesamt pro Jahr rund eine Milliarde Euro an Tantiemen einnimmt - überwiegend bezahlt von Plattenfirmen, TV- und Radiostationen sowie von Diskotheken und Konzertveranstaltern, kommen davon nur bescheidene 70 Millionen Euro - also weniger als sieben Prozent - aus dem Online-Bereich.
Das Verhältnis zwischen Gema und Youtube gibt auch einen Vorgeschmack darauf, wie sich ein Leistungsschutzrecht im Internet gestalten könnte: in erster Linie zeitaufwendig und mühsam. Nachdem ein Vertrag zwischen der Videoplattform und der Verwertungsgesellschaft 2009 ausgelaufen war und man sich auf keine weiterführende Regelung einigen konnte, begann Youtube, die Ausspielung von Videoclips von Urhebern zu sperren, die von der Gema vertreten wurden. Es sollte weitere sieben Jahre, mehrere Gerichtsprozesse und Abmahnungen dauern, bis beide Seiten schliesslich im Jahr 2016 eine Einigung über eine Vergütung für Gema-Material auf Youtube verkünden konnten.
Mehr Geld für Autoren, Künstler und Verlage
Ein postuliertes Ziel der EU-Richtlinie, nämlich den Journalisten, Autoren und Künstlern mehr Tantiemen an der Online-Nutzung ihrer Werke zukommen zu lassen, könnte für die Digitalwirtschaft Fluch und Segen zugleich sein. Denn die bisherigen Erfahrungen mit den Verwertungsgesellschaften zeigen, dass sie alles andere als unbürokratisch arbeiten - Wahrnehmungsberechtigte der VG Wort können ein Lied davon singen, wie kompliziert das Meldeverfahren ist. Dazu kommt, dass die grossen Verwertungsgesellschaften in ihrer Struktur Monopolisten gleichen, ein Nachteil sowohl für Urheber als auch für potenzielle Nutzer.
Ein Urheberrecht, das in erster Linie darauf abzielt, eine unbefugte Nutzung zu bestrafen, springt aber zu kurz. Denn wenn man sieht, wie lange Verhandlungen zwischen grossen Plattformen und grossen Verwertungsgesellschaften brauchen, bis eine Einigung auf einen Modus Vivendi erzielt ist, dann sieht es nicht gut aus für den mittelständischen Shop-Betreiber, der mal schnell eine Lizenz für ein Lied oder ein paar Fotos braucht, die er im Netz gefunden hat und gern weiterverwenden würde.