Markt 22.09.2015, 09:15 Uhr

Absatz-Rückgang: Tablets in Turbulenzen

Das Geschäft mit Tablets wird zunehmend schwieriger: Preisverfall, mangelnde Innovation und lange Haltezeiten der Kunden lassen die Absätze zurückgehen
Mann spielt auf einem Tablet
(Quelle: shutterstock.com/Andrey_Popov)
Für viele Marktbeobachter war das Ende des Tablet-Booms, das sich im letzten Jahr erstmals andeutete, noch eine Überraschung und mit der Hoffnung verbunden, dass es nur ein kleiner Einbruch sein würde. Doch inzwischen zeigen neue Analysen, dass dieses Produkt-Segment dauerhafte Absatz- und Umsatzprobleme hat.
So soll 2015 der weltweite Verkauf laut IDC um 3,8 Prozent auf 221,8 Millionen Tablets zurückgehen, das zweite Quartal 2015 zeigte zum dritten Mal hintereinander einen Rückgang der Verkäufe um 7,0 Prozent im Jahresvergleich. Noch schlechter sieht es in Westeuropa aus, wo im ersten Quartal 10,5 Prozent weniger Tablets abgesetzt wurden als im vergleichbaren Vorjahreszeitraum.
Deutschland liegt leider im Trend: Die gfu hat im Cemix für das erste Quartal des Jahres rund 1,5 Millionen verkaufte Geräte errechnet, das waren 7,2 Prozent weniger als im vergleichbaren Vorjahreszeitraum. Dramatisch ist hierzulande vor allem der Umsatzeinbruch: Dieser erreichte im ersten Quartal stolze 21,9 Prozent gegenüber dem Vorjahr.
Das hat seine Ursache primär in einem starken Preisverfall: Der Durchschnittspreis für die hierzulande verkauften Ta­blets sank im ersten Quartal im Jahresvergleich von 320 auf 269 Euro. Grundsätzlich folgt der Tablet-Markt damit anderen Produkten wie Handys oder Navigationssystemen, die im Laufe der Zeit immer günstiger wurden.
Allerdings konnte diese Entwicklung bei Smartphones durch Highend-Produkte wie das iPhone aufgehalten werden. Bei Tablets gerät aber selbst Apple mit seinen iPads unter Preisdruck. Während etwa das iPhone 6 bei 699 Euro beginnt, ist das von den Komponenten – vor allem was das Display betrifft – eigentlich teurere Tablet iPad Air 2 schon für 489 Euro zu bekommen. Und das iPad mini­ gibt es schon für rund 300 Euro.
In der untersten Preisklasse existieren praktisch keine Preisunterschiede mehr zwischen Tablets und Smartphones, da bereits für weniger als 100 Euro Android-Tablets über den Tresen gehen. Sie werden auch schon als Zugabe, zum Beispiel zu TV-Geräten oder einem Smartphone mit Vertrag, abgegeben.

Die Kunden halten sich zunehmend zurück

Schaubild über den Tablet-Absatz
Von den Problemen im Verkauf ist vor allem die klassische Kategorie der Media Tablets für Consumer betroffen: Sie dienen oft zu Hause als Mittel zum bequemen Web-Zugriff und zum Streamen von Medien per WLAN. Aus diesem Nutzungsmuster entstehen längere Haltezyklen der Geräte als von den Herstellern erwartet.
Das gilt vor allem im Vergleich zu Smartphones, die viel häufiger – oft schon im Takt von 12 bis 18 Monaten – gewechselt werden. Denn zu Hause genutzte Tablets halten länger, da sie weniger externen Risiken ausgesetzt sind. Ausserdem bedingt die weitgehende Reduzierung der Nutzung auf Grundfunktionen wie Mail und Internet auch weniger Ansprüche der Kunden an die Technik der Geräte, zumal die Innovationen ohnehin in den letzten zwei Jahren eher bescheiden waren.
Der bis zum vierten Quartal des Jahres 2014 stark wachsende Markt ist aus zwei Seiten unter Druck geraten: einerseits durch die bereits erwähnten, immer billigeren Android-Tablets von No-Name-Marken und andererseits im oberen Preissegment durch Phablets sowie die sogenannten Convertibles, also leistungsfähige Tablets mit Tastatur, die auch im professionellen Bereich eingesetzt werden können.
Zudem haben ultradünne Notebooks das darbende Marktsegment der portablen Rechner wiederbelebt, was ebenfalls zu Lasten von Highend-Tablets geht. „Das anhaltende Wachstum bei Phablets und ultraportablen PCs zeigt, dass die Kategorie Tablet als Bauform eher eine Annehmlichkeit als eine Notwendigkeit ist,“ stellt etwa Senior Practice Director Jeff Orr von ABI Research im Hinblick auf den Kundenbedarf fest.
Die Probleme erkennt man auch an den Verkaufszahlen des iPad, die in den letzten beiden Quartalen einen starken Einbruch erlitten haben. Denn Apple hat in den derzeit noch gut nachgefragten Segmenten nichts zu bieten, und das dürfte sich auch so bald nicht ändern, denn weder extrem preisgünstige Geräte noch Tablets mit Tastatur passen zur Firmenphilosophie.
Im zweiten Quartal kam der Marktführer laut IDC weltweit noch auf einen Marktanteil von 24,5 Prozent gegenüber 27,7 Prozent im vergleichbaren Vorjahreszeitraum. Allerdings schwächelt auch der Verfolger Samsung, dessen Marktanteil trotz breitem Portfolio von 18 auf 17 Prozent fiel. Trotzdem hat Samsung Apple im europäischen Tablet-Absatz überholt.
Wahrscheinlicher als ein Billig-Tab oder 2-in-1-Gerät ist, dass Apple ein Tablet mit grösserem Display als die 9,7 Zoll des iPad bringt. Denn diese Kategorie scheint immer populärer zu werden. Das liegt nicht zuletzt an sinkenden Kosten für Anzeigenpanels dieser Grösse und der Möglichkeit, auch solche Dimensionen in flachen und leichteren Gehäusen unterzubringen.

Auf die Bildschirme kommt es an

Schaubild über den Absatz von Apple iPads
IDC rechnet dagegen damit, dass der Anteil kleiner Tablets von 64 Prozent im Jahr 2014 bis 2019 auf weniger als 50 Prozent zurückgehen wird. Dazu passend gab es schon Gerüchte, dass Apple das kleine iPad mini im 7-Zoll-Format einstellen möchte. Die Kompaktmodelle leiden immer stärker unter der Konkurrenz der Phablets, also der grossen Smartphones.
Offenbar bieten die kleinen Tablets aus Kundensicht kaum noch einen Mehrwert gegenüber diesen Produkten. Da Sam­sung mit dem Galaxy Note­ und Apple mit dem iPhone 6 plus auch den Phablet-Markt bestimmen, werden sie zumindest die Einbussen bei den Tablets weniger schmerzen.
Mit Wachstum rechnen die Marktforscher von IDC auch noch bei Tablets mit integriertem Mobilfunkmodul, die vor allem die Netzbetreiber verstärkt verkaufen könnten. Diese Tablets sind auch mobilere Produkte als die meist zu Hause genutzten WLAN-only-Tablets, die den Carriern zudem keinen Umsatz durch Datenverkehr bringen.
Weiteres Potenzial dürfte es auch in der älteren Zielgruppe geben, denn eigentlich sind Tablets ideal geeignet, Senioren online zu bringen, da sie einfacher zu bedienen sind als Computer. Nach einer Untersuchung des Bitkom nutzten 2014 aber nur zwölf Prozent der über 65-Jährigen ein Tablet. Trotz der Möglichkeiten gibt es jedoch fast keine speziellen Senioren-Tablets.
Von den Absatzeinbussen nicht betroffen sind in Westeuropa Tablets, die an Geschäftskunden verkauft werden. Dieses Segment wuchs laut IDC im ersten Quartal 2015 um 51,3 Prozent gegenüber dem Vorjahreszeitraum. Chrystelle Labesque, Research Manager, IDC EMEA Personal Computing:
„Wachstumschancen gibt es eindeutig aus den Bereichen Firmen und professionelle Nutzer. Die Anbieter haben ihr Produktprogramm verstärkt um Geräte erweitert, die für die geschäftliche Nutzung optimiert sind. Die Nachfrage nach 2-in-1-Endgeräten nimmt zu und wird sowohl von einem verbesserten Hardware-Angebot als auch von günstigeren Preisen, die private und kommerzielle Nutzer ansprechen, getrieben.“
Zusätzlichen Schub erwarten Analysten von der Einführung von Windows 10, mit dem Tablets noch einfacher in bestehende Infrastrukturen in Unternehmen eingebunden werden können. Bereits heute hat Microsoft in diesem Segment guten Erfolg mit seinem Eigenprodukt Surface, zudem setzen viele IT-Hersteller zusätzlich zu ihren Android-Modellen auf Windows-Tablets, die auch in günstigeren Preisbereichen verfügbar sind.
Mit 8,4 Prozent war der Anteil von Microsoft bei den Tablet-Betriebssystemen in Westeuropa im ersten Quartal laut IDC jedoch noch recht klein, verglichen mit den 27 Prozent von iOS und vor allem den 65 Prozent von An­droid. Allerdings konnte Windows im Jahresvergleich als einziges der drei Betriebssysteme zulegen.
In vielen Unternehmen besteht gemäss den Marktforschern noch Potenzial für die Einführung von Tablets, etwa als mobile multimediale Datenbank zur Unterstützung im Verkauf oder auch als elektronischer Notizblock im Service. 
Auch die Nische der Ruggedized Tablets mit wasserdichten Gehäusen spielt bei professionellen Anwendern zunehmend eine Rolle, wenn die Tablets in anspruchsvollen Umgebungen eingesetzt werden sollen. Samsung hat mit dem Galaxy Tab Active hier letztes Jahr schon ein erstes Produkt speziell für diesen Bereich auf den Markt gebracht.




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