Kritische Lücke in allen Systemen
04.01.2018, 10:14 Uhr
Was Sie über Meltdown und Spectre wissen müssen
Ein seit 20 Jahren gängiges Verfahren, das Computerchips schneller machen sollte, machte diese auch anfällig für Datenklau. Über die Angriffsmuster "Meltdown" und "Spectre" sind nahezu alle modernen Systeme verwundbar.
Die jüngst publik gewordene Schwachstelle in CPUs nahezu aller Hersteller ist eine der weitreichendsten der IT-Geschichte. Die Sicherheitslücke basiert auf einem Verfahren, das in der gesamten Branche für Performance-Verbesserungen eingesetzt wird. Kernpunkte in Fragen und Antworten zur Lücke und den Angriffsmustern Meltdown und Spectre:
Was ist besonders an dieser Sicherheitslücke?
Es geht um eine Funktion des Prozessors, des Herzstücks eines jeden Systems. In dem Chipset wird die Rechenarbeit erledigt. Programme müssen ihm vertrauen - und über die entdeckte Schwachstelle kann der Prozessor Hackern den Weg zu einer wahren Daten-Schatztruhe bieten. Damit könnte es so etwas wie ein Super GAU für die IT-Branche werden.
Was macht die Angriffe möglich?
Prozessoren wurden seit Jahrzehnten darauf getrimmt, immer schneller zu werden. Eine der Ideen dabei war, möglicherweise später benötigte Daten schon vorher abzurufen, damit es nachher keine Verzögerungen gibt. Wie sich jetzt herausstellt, kann dieses Verfahren jedoch ausgetrickst werden, so dass die Daten abgeschöpft werden.
Welche Chips sind betroffen?
Da der Kern des Problems ein branchenweit angewandtes Verfahren ist, sind auch Chips verschiedenster Anbieter anfällig und es geht um Milliarden Geräte. Beim Branchenriesen Intel ist es laut den Forschern, die das Problem entdeckt haben, potenziell der Grossteil der Prozessoren seit 1995. Aber auch einige Prozessoren mit Technologie des Chip-Designers ARM, der in Smartphones dominiert, sind darunter. Der Intel-Konkurrent AMD erklärt, seine Chips seien dank ihrer technischen Lösungen sicher, die Forscher erklären, sie hätten auch die attackieren können.
Welche Angriffsmöglichkeiten wurden bisher bekannt?
Die Forscher veröffentlichten Informationen zu zwei Attacken. Die eine, bei der Informationen aus dem Betriebssystem abgegriffen werden können, tauften sie auf den Namen Meltdown. Sie sei bisher nur auf Intel-Chips nachgewiesen worden. Die zweite, Spectre, lässt andere Programme ausspähen. Diese Attacke sei schwere umzusetzen - aber auch der Schutz vor ihr sei schwieriger. Nahezu alle modernen Prozessoren seien anfällig. Spectre funktionierte den Forschern zufolge auf Chips von Intel, AMD und mit ARM-Technologie. Laut ARM sind jedoch nur wenige Produktlinien betroffen.
Ist diese Schwachstelle schon ausgenutzt worden?
"Wir wissen es nicht", erklären dazu die Sicherheitsforscher knapp. Eine Attacke würde auch in den bisher gängigen Log-Dateien keine Spuren hinterlassen, warnen sie. Intel geht davon aus, dass es bisher keine Angriffe gegeben hatte.
Was wäre das schlimmste Horrorszenario?
Wahrscheinlich, dass Angreifer in Rechenzentren an die Daten von Millionen von Anwendern gelangen könnten.
Gibt es auch gute Nachrichten?
Die Schwachstelle wurde bereits im Juni entdeckt und den Unternehmen gemeldet, so dass sie Zeit hatten, Gegenmittel zu entwickeln. Google, Microsoft und Amazon sicherten ihre Cloud-Dienste bereits ab. Dabei wurde das Problem früher als geplant publik: Eigentlich wollte die Branche die Schwachstelle und ihre Massnahmen erst am 9. Januar öffentlich machen. Doch schon in den vergangenen Tagen fiel eine erhöhte Update-Aktivität auf - und erste Berichte über eine Schwachstelle in Intel-Chips machten die Runde.
Wenn das Verfahren die Chips schneller machen sollte - machen die Gegenmassnahmen sie dann langsamer?
Ja - allerdings erklärte Intel, dass der Leistungsabfall in den meisten Fällen zwei Prozent nicht überschreiten dürfte. In ersten Medienberichten war noch von bis zu 30 Prozent die Rede.