HPE und Digitalswitzerland initiieren
26.01.2020, 10:09 Uhr
Schweizer Öko-Label für Rechenzentren
Auf Initiative von HPE und Digitalswitzerland ist die Swiss Datacenter Efficiency Association gegründet worden. Deren Aufgabe wird es künftig sein, besonders energieeffiziente Rechenzentren mit dem «Swiss Data Center Efficiency Label» auszuzeichnen.
Eine Gruppe von Vertretern aus Wissenschaft und Industrie hat am Jahrestreffen des Weltwirtschaftsforums (WEF) das «Swiss Data Center Efficiency Label» vorgestellt. Dieses hat zum Ziel, die Schweizer Rechenzentren zu dekarbonisieren und deren Gesamtstromverbrauch signifikant zu senken.
Die vom Industrieverband Digitalswitzerland und Hewlett Packard Enterprise (HPE) Schweiz initiierte Allianz hat den Verband Swiss Datacenter Efficiency Association (SDEA) gegründet, der für die Vergabe des Labels und die vorangehenden Prüfungen zuständig ist. Gründungsmitglieder des SDEA sind die Eidgenössische Technische Hochschule Lausanne (EPFL), Green IT Switzerland, HPE, die Hochschule Luzern (HSLU), die Swiss Data Center Association (Vigiswiss) und der Schweizerische Verband der Telekommunikation (ASUT). Das Bundesamt für Energie fördert die Initiative im Rahmen des Programms SwissEnergy.
Erste Pilotanwender
Gemäss einer Mitteilung haben bereits zehn nicht namentlich genannte Pilotanwender neue Technologien und Verfahren zur Steigerung ihrer Energieeffizienz eingeführt, um die Kriterien des neuen Labels erfüllen zu können. Dabei seien bis zu 70 Prozent Strom eingespart, und fünf der Anwender bezögen bereits vollständig CO2-neutral erzeugten Strom, heisst es weiter.
Vorreiter ist auch der Kanton Genf. Dort wird offenbar geplant, wesentliche Anforderungen des Labels in die nächste Fassung des kantonalen Energieeffizienz-Gesetzes aufzunehmen, um sie zu Voraussetzungen für den Neubau von Rechenzentren zu machen.
Vorbild für die Welt
Die Allianz hat gemäss eigenen Angaben einiges mit der Öko-Zertifikation vor. Das Ziel sei nicht nur die schweizweite Einführung des Labels. Dieses solle auch der Europäischen Kommission und den Vereinten Nationen vorgestellt werden, damit das Schweizer Modell schliesslich weltweit adaptiert werde, heisst es.
«CO2-neutrale Stromquellen und energieeffiziente digitale Technologien sind bereits verfügbar; für ihre umfassende Einführung braucht es aber geeignete Methodiken, das Engagement der Industrie und die politische Umsetzung», betont Benoit Revaz vom Bundesamt für Energie. «Wir begrüssen Projekte wie das Swiss Data Center Efficiency Label, die dazu beitragen können, die negativen Auswirkungen einer der digitalen Grundpfeiler unserer Gesellschaft zu verringern. Wir ermuntern und unterstützen Unternehmen und andere Nationen weltweit dabei, ähnliche Initiativen umzusetzen.»
Hoher prozentualer Stromverbrauch in der Schweiz
Rechenzentren machen heute laut einer internationalen Studie ein Prozent des weltweiten Gesamtstromverbrauchs aus. An beliebten Hosting-Standorten wie der Schweiz ist der Anteil jedoch wesentlich höher: Im Jahr 2015 entfielen gemäss Schätzungen des Bundes 2,8 Prozent des gesamtschweizerischen Stromverbrauchs auf Rechenzentren. Seither sind hierzulande einige Data Center hinzugekommen, unter anderem haben sich auch die Hyperscaler Amazon, Google und Microsoft in der Schweiz angesiedelt. Zudem steigt das Datenvolumen und der Datenverkehrs in den nächsten Jahren exponentiell.
Deshalb brauche es neue Verfahren für die Messung und das Management der Effizienz von Rechenzentren, damit die CO2-Emissionen und der Stromverbrauch signifikant sinken könnten, fordern die Initianten des Labels. «Die heutigen Methodiken betrachten isolierte Aspekte der Nachhaltigkeit und der Effizienz von Rechenzentren. Sie erfassen nicht den gesamten Fussabdruck bezüglich CO2-Emissionen und Stromverbrauch», sagt Christopher Wellise, Chief Sustainability Officer bei HPE. «Das Swiss Data Center Efficiency Label verfolgt dagegen einen ganzheitlichen Ansatz, indem es alle Aspekte des Stromverbrauchs und der Stromversorgung sowie die Weiterverwertung der Energie berücksichtigt. Es ermöglicht damit Betreibern von Rechenzentren, Industrieverbänden und Regierungen, die tatsächliche Auswirkung der digitalen Infrastrukturen auf das Klima zu messen und zu kontrollieren.»
Gold, Silber, Bronze
Mit dem Swiss Data Center Efficiency Label werden Rechenzentren und deren IT-Infrastrukturen für ihre Energieeffizienz und Umweltverträglichkeit ausgezeichnet. Dabei werden laut der Allianz drei Hauptkriterien berücksichtigt. Die Vergabekriterien für die Infrastruktur der Rechenzentren beziehen sich auf die gesamten Energieströme, sowohl Aufnahme als auch Abgabe. Dabei wird auch berücksichtigt, ob und wie die Energieabgabe weiter genutzt wird (etwa die Abwärme zur Beheizung anderer Gebäude).
Die Vergabekriterien für die IT-Infrastruktur beziehen sich auf die Energieeffizienz der eingesetzten IT-Technologien und ihre Auslastung. Je nachdem, welche Effizienzkriterien sie in welcher Weise erfüllen, können die Rechenzentren mit einem Label in Gold, Silber oder Bronze ausgezeichnet werden. Werden zudem noch die Umweltverträglichkeitskriterien im Zusammenhang mit dem CO2-Fussabdruck erfüllt, erhält das jeweilige Label ein «Plus»-Zeichen.
Die Vergabekriterien sollen kontinuierlich an die sich wandelnden Informations- und Kommunikationstechnologien und die hohe Innovationsrate der ICT-Branche angepasst werden. Besonderes Augenmerk liegt dabei auf der ausserhalb von Rechenzentren rasant wachsenden ICT-Infrastruktur. Diese wird benötigt, um dezentral – in Produktionsstätten, Fahrzeugen oder öffentlichen Einrichtungen – anfallende, riesige Datenmengen in Echtzeit zu verarbeiten.
Herausforderung Edge-Computing
Gemäss einer Studie von Gartner wurden 2018 rund 10 Prozent der von Unternehmen generierten Daten ausserhalb der herkömmlichen (zentralen) Rechenzentren oder der Cloud produziert und verarbeitet. Laut dem Marktforscher wird dieser Anteil bis 2025 auf 75 Prozent ansteigen. Daher soll das Swiss Data Center Efficiency Label in Zukunft auch solche dezentralen «Edge»-ICT-Infrastrukturen berücksichtigen, damit der Strom- und der CO2-Fussabdruck der digitalen Infrastrukturen ganzheitlich eingeschätzt und kontrolliert werden kann.
«Wir erleben gerade einen Paradigmenwechsel in der IT-Technologie. Die herkömmliche Siliziumtechnik, die sich in den vergangenen fünfzig Jahren durch eine Verdopplung der Chip-Packungsdichte alle zwei Jahre auszeichnete, stösst an ihre physikalischen Grenzen», sagt Babak Falsafi, Professor an der Fakultät für Computer und Kommunikationswissenschaften der EPFL und Gründungsdirektor von EcoCloud, einer Fachgruppe aus Industrievertretern und Wissenschaftlern der EPFL. «Folglich kann die IT-Leistung künftig nur durch den Ausbau der Infrastruktur nachhaltig wachsen, einschliesslich dezentraler Rechenzentren nahe an den Datenquellen am Edge. Das neue Label kommt daher genau zur rechten Zeit, um die Betreiber bei der Errichtung nachhaltiger IT-Strukturen zu unterstützen.»