Die Storage-Konzerne suchen neue Wege
Dell EMC – der Wankelmütige
Unternehmerisches Hin und Her auf der Ebene des Top-Managements charakterisiert auch die Politik des Computing- und Storage-Superkonzerns Dell EMC: Aufstieg aus einer Studentenbude im texanischen Austin mit einem neuartigen Build-to-Sell-Modell im Direktvertrieb, Akquisitionen und neue Geschäftsbereiche bis hin zur EMC-Übernahme (eigentlich die grössere Firma von beiden), Privatisierung angesichts der geplanten internen Umbau- und Integrationsprozesse – keine Vierteljahresberichte mehr, keine Einblicke nach innen und keine Interventionen von Investoren – und schliesslich nach fünf Jahren und ständigem Eigenlob («Wir sind das grösste privat gehaltene Unternehmen der Welt») eine vergleichsweise still und leise durchgezogene Rückkehr zur Aktiengesellschaft.
Durch den Kauf von EMC hat Dell auf dem Storage-Markt gute Karten – sprich ein breites Produktportfolio plus internationale Kundenbasis. Und mit VMware, der offiziell nach wie vor unabhängigen Tochtergesellschaft, einen Virtualisierungs- und Cloud-Player, der die einstige Kerntechnologie der virtuellen Maschinen konsequent von Computing in Richtung Netzwerke, Speicher und Cloud ausgebaut hat. VMware leistet sich darüber hinaus ein sonst in der Branche nicht mehr übliches Research- und Development-Programm: Auf den jährlichen RADIO-Konferenzen (Research And Development Innovation Offsite) treffen sich VMware-Entwickler und -Produktstrategen aus allen Erdteilen – dieses Jahr waren es in San Francisco 1800 Mitarbeiter, die tagelang Ideen austauschten, diskutierten und gemeinsam an neuen Projekten arbeiteten, gut abgeschirmt vor den Augen einer Handvoll Journalisten. Immerhin konnte com! professional dabei beobachten, dass sich die Dell-Tochter dieses Event weiterhin viel Geld kosten lässt und dass in der Tat ein reger Austausch vor Ort stattfand – an dem auch das Top-Management in Gestalt von Michael Dell, Pat Gelsinger, Jeff Clarke und anderen aktiv teilnahm. RADIO ist sicher ein wichtiger Faktor für den anhaltenden Erfolg von VMware.
Dell EMC spielt nach der Fusion in einer neuen Liga und muss sich deshalb auch neuen Vergleichen stellen. Das Produkt-Portfolio ist in einer Breite aufgestellt, die an das alte IBM erinnert oder auch an Oracle und Microsoft, die als reine Software-Companys gestartet sind und sich sukzessive in andere Bereiche wie Storage oder Cloud eingekauft haben. Cisco ist ein ähnlicher Fall mit seinem Weg vom reinen Networking hin zu Servern und Storage.
Auf der «Dell Technologies World», die Ende April wie früher die grossen EMC-Veranstaltungen in Las Vegas stattfand, präsentierte Gründer und CEO Michael Dell den Konzern als Hersteller, der einige Geschäftsfelder abgestossen und andere hinzugekauft und den Wechsel von Going Private und zurück zu Going Public erfolgreich hinbekommen hat.
Die ehrgeizigen Pläne, der tonangebende Provider von wesentlichen Infrastruktur-Komponenten der IT zu sein, scheinen Wirklichkeit zu werden: Dell EMC liefert Computer- und Storage-Hardware, System-Software sowie Services «from the edge to the core to the cloud» und ist insgesamt der Storage-Marktführer. Eine Herausforderung für das gemeinsame Unternehmen Dell EMC, in dem auch VMware wegen seiner Technologiestärke und seiner Kundenbasis eine wichtige Rolle spielt, stellt jedoch der Abbau der noch bestehenden Schuldenlast aus der EMC-Übernahme dar, die von ursprünglich 67 auf gegenwärtig immer noch stattliche 39,3 Milliarden Dollar abgetragen werden konnte. Das bedeutet für alle Dell-Teile einen konstanten finanziellen Druck nach innen und eine Zurückhaltung bei spektakulären Akquisitionen – wo doch gerade das Feld der Storage-Start-ups einiges zu bieten hätte.