Gleichstrom erobert das Rechenzentrum
Gleichstrom vs. Wechselstrom
Vor der Energiewende hat sich die Frage Gleichstrom oder Wechselstrom für Rechenzentren nicht gestellt. Erst das Thema erneuerbare Energiequellen hat die Problematik ans Tageslicht gebracht. Zudem ist die Hochspannungs-Gleichstrom-Übertragung eine vergleichsweise junge Technologie. IT-Geräte wie Server, Storage oder Switches sowie andere ITK-Komponenten nutzen intern Gleichstrom (DC für Direct Current), typischerweise mit je 12 Volt pro Leitung. In einem konventionellen Rechenzentrum beziehen sie jedoch Wechselstrom (AC für Alternate Current) mit 220 Volt Spannung je Leitung aus den Leistungsverteilern. Die Umwandlung von Wechselstrom in Gleichstrom erfolgt im Netzteil der Geräte und geht in jedem Fall mit hohen Energieverlusten, vorwiegend in Form von Abwärme und elektromagnetischen Störfeldern, einher.
AC-zu-DC-Transformatoren geben ihre Abwärme in direkter Nähe temperatursensibler IT-Bauteile ab. Dies erhöht sowohl den unmittelbaren Bedarf an aktiver Kühlung als auch die Kosten eines Betriebsausfalls der Kälteanlagen. „Der entscheidende Kostenverursacher im Rechenzentrum ist die Wärmeentwicklung“, beobachtet denn auch Heinz Schramm, Geschäftsführer des IT-Dienstleisters Alliance Trading EMEA GmbH, und urteilt: „Lüftungs- und Kühlsysteme sind dabei wahre Ressourcenfresser.“
Die Notwendigkeit der Abführung beziehungsweise Neutralisierung der Abwärme und der Abschirmung elektromagnetischer Störfelder reduziert die erzielbare Systemdichte und erhöht so den ökologischen Fussabdruck der ITK-Elektronik.
Zusätzliche Herausforderungen entstehen, wenn die Hauptversorgung ausfällt. Batterien und Notfallaggregate liefern nämlich keinen Wechselstrom, sondern Gleichstrom. Zur Gewährleistung einer unterbrechungsfreien Energieversorgung muss also zuerst eine Konvertierung von Gleichstrom in Wechselstrom und dann wieder zurück stattfinden, stets unter Erhaltung der Netzfrequenz.
Auch Selbstversorger haben es nicht leicht. Denn „grüne“ Energiequellen wie Fotovoltaik-Anlagen oder Windturbinen erzeugen von sich aus ebenfalls Gleichstrom. Jede Umwandlung von Gleichstrom in Wechselstrom und umgekehrt geht mit beachtlichen Energieverlusten und mit einem hohen Platzbedarf einher.
“„Der entscheidende Kostenverursacher im Rechenzentrum ist die Wärmeentwicklung.“„
Ausrüstern wie ABB, Amstein+Walthert und Stulz zufolge könnte ein Rechenzentrum durch den Wegfall diverser Umwandlungsschritte auf dem Weg von der Einspeisung bis hin zum Endgerät eine Effizienzerhöhung von mehr als 10 Prozent realisieren. „Mit der Gleichstromlösung lässt sich ein erheblicher Teil der Energiekosten sparen“, sagt auch Heinz Schramm. Und bei den Anschaffungskosten der elektrischen Infrastruktur sei eine Reduktion von etwa 15 Prozent zu erwarten. Die höhere Systemdichte soll ausserdem den Platzbedarf um bis zu 25 Prozent reduzieren. Dies wirkt sich direkt auf die Gesamtinvestitionskosten aus.
Ein weiterer Vorteil des Gleichstroms: Ein Data-Center benötigt mehrere redundant ausgelegte Energiequellen, um einen unterbrechungsfreien Betrieb und die erforderliche Datenintegrität zu gewährleisten. Die Zuverlässigkeit der Stromversorgung liesse sich dank Gleichstrom aufgrund der geringeren Komplexität auf das Zehnfache steigern, hat wiederum der TK-Konzern NTT vorgerechnet. Der durchgängige Einsatz von Gleichstrom könnte Experten zufolge die gesamte Energieversorgungskette des Rechenzentrums vereinfachen und nebenbei auch die Anbindung der Stromverbraucher an regenerative Energiequellen erleichtern.
Zusammenfassend lässt sich festhalten: Gleichstrom würde zu einer höheren Energieeffizienz vor allem durch drei Faktoren beitragen:
Wegfall der DC-zu-AC-Umwandlung bei Selbstversorgern: Regenerative Energiequellen wie Windturbinen und Fotovoltaik-Anlagen erzeugen Gleichstrom; die umständliche Umwandlung von Gleichstrom in Wechselstrom zur Einspeisung ins eigene Netz entfällt für ein Gleichstrom-Rechenzentrum.
Wegfall der AC-zu-DC-Umwandlung im Rechenzentrum: IT-Geräte laufen mit Gleichstrom statt mit Wechselstrom; die sensible IT-Elektronik erfordert bisher eine Umwandlung von Wechselstrom (zurück) in Gleichstrom.
Starke Reduktion von Streuverlusten bei Hochspannung: Die Übertragung von Gleichstrom über hohe Distanzen reduziert die Streuverluste gegenüber Wechselstrom; mit Technik zur Hochspannungs-Gleichstrom-Übertragung (HGÜ), etwa von Siemens, liessen sich beispielsweise Rechenzentren in Frankfurt mit Energie aus regenerativen Quellen an der Ostseeküste versorgen.