Wearables 07.03.2018, 14:31 Uhr

ETH entwickelt Nullenergieempfänger

Batterielebensdauer ist ein wichtiger Faktor in am Körper tragbaren Geräten. Sie sollten immer empfangsbereit für Kontrollsignale sein, ohne viel Energie zu verbrauchen. Forscher an der ETH Zürich haben nun einen leistungslosen Empfänger für Touch-Kommunikation entwickelt, der seine Energie direkt aus dem Signal erhält.
Ein leistungsloser Empfänger für Touch-Kommunikation auf einer biegsamen Leiterplatte. Diese enthält alle notwendigen Elemente zum Empfangen und Demodulieren von Signalen sowie zur Energiegewinnung durch Berührung
(Quelle: Michele Magno / ETH Zürich)
Von Oliver Morsch, ETH News
Elektronische Apparate, die stets funktionstüchtig sind und auf unsere Befehle warten, gibt es nicht umsonst. Einigen Schätzungen zufolge ist der Energieverbrauch von Fernsehgeräten, DVD-Spielern, Waschmaschinen und anderen Geräten im Standby-Modus für bis zu einem Viertel des in einem durchschnittlichen Haushalt benötigten elektrischen Stroms verantwortlich.
Das Problem wird noch akuter, wenn es um batteriebetriebene Geräte geht – besonders solche der neuen Generation des Internets der Dinge, und am Körper tragbaren Geräten wie zum Beispiel Fitness-Trackern. Diese sollen ständig empfangsbereit sein, was aber auch bedeutet, dass sie durchgehend Energie verbrauchen und Batterien damit schnell in die Knie gehen. Zudem stellen Steuerungssignale, die mittels Radiowellen übermittelt werden, ein Sicherheits- und Datenschutzrisiko dar. Michele Magno, Forscher im Department Informationstechnologie und Elektrotechnik der ETH Zürich, hat nun einen cleveren Weg gefunden, diese Probleme zu beheben.

Inspiration von Disney

«Der Trick besteht darin, die nötige Energie zum Empfangen eines Aufweck-Befehls mittels eines „Touch“, also einer Berührung, direkt aus dem Sender zu gewinnen», erklärt Magno, der seit vielen Jahren an Energiegewinnungs-Technologien (energy harvesting) arbeitet.
Die Idee für das neue Gerät geht auf eine Zufallsbegegnung mit Forschern am Disney Forschungslabor in Zürich zurück, die an einem berührungsaktivierten Schalter interessiert waren, den sie in ihre Spielzeuge einbauen konnten.
«Ihr Ansatz beinhaltete einen Empfänger, der die Batterien in wenigen Stunden geleert hätte, und am Ende wurde nichts aus dieser Zusammenarbeit», sagt Magno, fügt aber gleich hinzu: «Meine Neugier war allerdings geweckt, und ich glaubte wirklich daran, dass ein solcher Empfänger nur Aussicht auf Erfolg haben würde, wenn er keine Energiequelle benötigte. Ich machte mich also an die Arbeit an einem Prototyp, den ich im Sinn hatte – in meiner Freizeit und später mit der Hilfe meiner Masterstudenten Philipp Mayer und Raphael Strebel.»

Energiegewinnung durch Berührung

In der Zwischenzeit hat Magno seine Idee zum Patent beim Europäischen Patentbüro eingereicht. Das Prinzip ist simpel, aber gleichzeitig anspruchsvoll: Der Empfänger, der keine eigene Batterie hat, empfängt Signale über eine Elektrode, wenn diese von einem menschlichen Körper berührt wird. Damit der Empfänger aufgeweckt wird, schickt der Sender dem eigentlichen Signal – das aus einer modulierten elektromagnetischen Welle mit einer Frequenz von einigen Megahertz besteht - eine nur wenige Millisekunden dauernde «Präambel» voraus, die keine Informationen enthält.
Michele Magno, geistiger Vater des Nullenergieempfängers
Quelle: ETH Zürich / P. Rüegg
Die Energie, die der Empfänger in dieser Zeitspanne aufnimmt, wird in einem Kondensator gespeichert, der dann als Energiequelle für das Empfangen und Dekodieren des Kontrollsignals fungiert. Andere energiehungrige Geräte im Schlafmodus können dann vom Empfänger ihrerseits geweckt werden, vorausgesetzt, die richtige Identifikation wurde empfangen.
«Auf diese Weise haben wir einen wirklichen leistungslosen Empfänger, der auf verschiedenste Weisen eingesetzt werden kann», erklärt Magno, «wie zum Beispiel in Berührungssensoren im Auto, die einen erkennen und die Türen öffnen. » Dies könnte viel sicherer sein als die derzeit benutzten Radiowellen-Technologien wie RFID, die ihre Signale über grössere Entfernungen übermitteln und deshalb anfällig für Lauschangriffe sind.
Ein weiteres interessantes Anwendungsfeld ist die Intra-Köper Kommunikation, bei der zum Beispiel zwei am Körper getragene Geräte miteinander kommunizieren, oder Handshake-Informationsübertragung zwischen zwei Benutzern. Magno und seine Kollegen haben gezeigt, dass der Prototyp ihres Empfängers eine Reichweite am Körper von mehr als 1,7 Metern hat, wodurch Kommunikation zwischen dem Handgelenk und einem beliebigen anderen Körperteil eines Träger möglich ist.

ETH-Spin-off geplant

Wenn Michele Magno über seine neueste Arbeit spricht, ist seine Begeisterung spürbar, und er hat ehrgeizige Zukunftspläne. Mit Hilfe von ETH Transfer plant er, Start-Up-Unternehmen zu gründen, die seinen Prototyp zu marktfähigen Produkten weiterentwickeln, deren Einsatzgebiete von der Touch-Kommunikation bis zur Zugüberwachung reichen.
Ein Multisensor-Armband, das mittels Touch-Kommunikation Signale durch den menschlichen Körper an einen leistungslosen Empfänger auf dem Laptop-Computer sendet
Quelle: Michele Magno / ETH Zürich
Um dorthin zu kommen, wo er jetzt ist – aktiv beteiligt an etwa zehn verschiedenen Forschungsprojekten mit mehr als einem Dutzend Doktoranden, Masterstudenten und Postdoktoranden – hat er einen langen Weg hinter sich, der an seiner Alma Mater in Bologna begann, wo er 2010 promoviert wurde. Nach einem kurzen Abstecher an die ETH Zürich während seiner Doktorarbeit arbeitete er ein paar Jahre lang als Postdoktorand in Irland und Frankreich, lehnte aber letztendlich Jobangebote als Assistenzprofessor ab – stattdessen nahm er lieber eine Postdoktorandenstelle an der ETH in der Gruppe von Luca Benini am Institut für Integrierte Systeme an, die mittlerweile zu einer Festanstellung geworden ist. Der Gedankengang hinter dieser Wahl war simpel, sagt er: «Was ich in meiner jetzigen Position an der ETH machen kann, könnte ich selbst als Professor nirgendwo anders in Europa machen – die Bedingungen hier sind einfach ideal.»
Dennoch steht er weiterhin in engem Kontakt mit der Universität Bologna, was sich auch darin widerspiegelt, dass er dort Research Fellow ist und eine Gruppe von Studenten betreut, die sich sehr erfolgreich an Innovationswettbewerben von Technologiefirmen beteiligt. Wenn er nicht im Labor steht und neue Geräte entwickelt, verbringt er gerne die Zeit mit seiner Familie: seiner französischen Frau, die er in Irland kennenlernte, und seinen jungen Zwillingstöchtern. Und wer weiss – vielleicht wird ihr Spielzeug eines Tages die leistungslosen Empfänger enthalten, die Papa erfunden hat.

Autor(in) Computerworld Redaktion




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