Spoiler: gar nicht toll! 24.09.2023, 15:05 Uhr

Wie gut ist Apples Feingewebe?

Eine Geschichte über Lederersatz, Aussehen, Haptik – und einen verpeilten moralischen Kompass.
Es fühlt sich an wie Wildleder … ehrlich!
(Quelle: PCtipp.ch)
So viel vorweg: Meine Abneigung gegen Leder ist frei von jeglicher Ideologie. Es ist einfach nicht «mein Material». Ich liebe Baumwolle und werde nie eine Lederjacke kaufen oder im Bett einen Pyjama aus Schafschurwolle tragen. Applikationen an Schuhen oder kleine Lederutensilien gehen hingegen in Ordnung.
Andere pflegen eine abweichende Meinung mit Verweis auf den Umwelt- und den Tierschutz. Letzterer ist mir zwar sehr wichtig, aber in meinem Weltbild ist Lederzubehör einfach ein Abfallprodukt unseres Fleischkonsums.
Item. Apple sieht in Leder offenbar einen weiteren Feind, den man mit einem Schwertstreich niederstrecken möchte, um die Welt zu einem besseren Ort zu machen. An seine Stelle tritt das neue Material «Feingewebe». Es besteht zu 68 Prozent aus recycelten Altmaterialien, schimmert ein wenig und «fühlt sich auf der Haut weich und wie Wildleder an» (O-Ton Apple).
Ich will dich nicht …
Quelle: PCtipp.ch
Da stellt sich mir unweigerlich die Frage, ob der Werbetexter jemals echtes Wildleder angefasst hat. Meine Schilderung des Materials weicht ein wenig ab:
Das neue Feingewebe fühlt sich zuerst einmal rutschig an – und das sind keine guten Voraussetzungen für eine iPhone-Hülle. Doch vor allem ist es kein Handschmeichler. Beim ersten Hautkontakt erinnert es an das Segeltuch der Converse-Sneakers, nur viel feiner. Das macht es allerdings auch nicht besser, weil ich das Apple-Zubehör nicht mit Socken an den Händen herumtrage. Bereits ein Fingernagel hinterlässt unauslöschliche Spuren: Viel Spass mit den Autoschlüsseln. Und wie sich das Material reinigen lässt, wird erst die Zukunft zeigen.
Diese feinen Kratzer sind für die Ewigkeit
Quelle: PCtipp.ch
Die Hülle ist ausserdem extrem unflexibel. Als ich nach einer Stunde bis obenhin genug davon hatte und sie vom neuen iPhone 15 abziehen wollte, verhielt sie sich so bockig, dass ich fürchtete, das Glas würde brechen. Unmittelbar bevor ich zum Dremel griff, hat es dann doch noch funktioniert. Aber das ist bis ans Ende aller Tage klar: Feingewebe und ich werden nie Freunde.
Ein typischer Apple-Charakterzug ist, dass nicht lange gefackelt wird. Das Lederzubehör wird nicht abverkauft, sondern ist über Nacht von der Website verschwunden. Bei der iPhone-Hülle habe ich mich gerne für ein Silicon-Case «Winterblau» entschieden, weil mir diese Hüllen von Apple seit jeher die liebsten sind. Etwas komplizierter wurde es bei den Wallets: Hier deckte ich mich fast panisch bei Digitec mit zwei Lederausführungen Orange ein, die hoffentlich eine Weile halten. Denn es ist nur eine Frage der Zeit, bis auch sie ausverkauft sind.

Kommentar

Die Drittanbieter werden ob des Entscheides von Apple jubeln und ihre eigenen Lederhüllen feilbieten – und die werden in den meisten Fällen aus ökologischer und tierschützerischer Sicht sehr viel grenzwertiger angefertigt («Made in Sie-wissen-schon-wo»). Wäre Apple etwas am Thema gelegen, würden sie weiterhin Lederzubehör verkaufen, das nach ethisch hochstehenden Massstäben gefertigt wird. Doch so schlägt das Pendel genau in die andere Richtung aus: Einmal mehr ist «gut gemeint» das Gegenteil von «gut gemacht».




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