PS4 11.04.2018, 14:35 Uhr

God of War (2018) angespielt

Axt statt Chaosklingen, eiskalter Norden statt warmes Griechenland. «God of War» für PS4 geht in vielerlei Hinsicht neue Wege – und begeistert genau deswegen.
Der Detailgrad in Zwischensequenzen ist schlichtweg atemberaubend. Auf PS4 Pro mit passenden UHD-TV gibt’s all das natürlich in 4K-Auflösung
(Quelle: Screenshot / Games.ch)
Keine Frage, wenn man als langjähriger PlayStation-Fan mit dem Namen «God of War» konfrontiert wird, dann denkt man zunächst unweigerlich an das legendäre PS2-Action-Spektakel aus dem Jahr 2005. In Wirklichkeit handelt es sich bei «God of War» für PlayStation 4 jedoch nicht um ein Remaster eben dieses Klassikers, sondern vielmehr um eine echte Fortsetzung.
Thematisch knüpft Entwickler Sony Santa Monica Studios dabei an die Ereignisse des dritten Teils an. Kriegsgott Kratos beschliesst, das antike Griechenland hinter sich zu lassen und lebt nun im hohen Norden; also dort, wo Odin, Thor, Loki und andere Götter der nordischen Mythologie das Sagen haben. Warum genau er seiner einstigen Heimat den Rücken kehrte, wird nicht verraten. Fest steht nur: Nach dem tragischen Tod seiner Familie ging Kratos eine neue Beziehung ein und wurde ein weiteres Mal Vater – in diesem Fall von einem aufgeweckten Jungen namens Atreus.
Zu Spielbeginn zweifelt Atreus an seinen eigenen Fähigkeiten. Mit der Zeit wird er jedoch immer selbstsicherer
Quelle: Screenshot / Games.ch
Zu Spielbeginn erfahren wir ausserdem, dass Atreus' Mutter kürzlich verstarb und einen letzten Wunsch äusserte. Kratos und Atreus sollen sich auf den Weg machen, um ihre Asche auf dem höchsten Berg der Region beizusetzen. Das Problem an der Sache: Die Nachricht von Kratos' blutigen Taten in Griechenland ist ihm längst vorausgeeilt und hat Odin und Co. in höchste Alarmbereitschaft versetzt. Beste Voraussetzungen also für den Beginn einer kompletten, neuen Odyssee, die laut Spieldirektor Cory Barlog erneut als Trilogie angelegt wurde.

Vielschichtige Vater-Sohn-Beziehung

Fans erinnern sich: In allen bisherigen Serienteilen kämpfte Kratos stets allein. Nicht so im neuen «God of War». Hier kann der ehemalige Heerführer aus Sparta zu jeder Zeit auf die Hilfe seines Sprösslings zählen. Denn Atreus ist ein treffsicherer Fernkämpfer und nimmt Feinde mit seinem Bogen automatisch aufs Korn. Zwar richten Atreus' Pfeilattacken anfangs nur wenig Schaden an, dafür aber lassen sie die sogenannte Benommenheitsanzeige eines Opfers in die Höhe schnellen. Komplett gefüllt beginnt der Feind schliesslich zu taumeln und kann nun mit einem gewohnt brutalen Finishing-Move abserviert werden. Wundern Sie sich also nicht, wenn der Spartaner Feinde unter anderem in zwei Hälften reisst oder ihnen rabiat den Schädel zerstampft.
Die Leviathan-Axt ist der Ersatz für Kratos' Chaos-Klingen. Lädt man sie auf, kann sie Gegner schockfrosten
Quelle: Screenshot / Games.ch
Spannend für Taktiker: Obwohl Atreus in der Regel völlig selbstständig angreift, können wir ihm durch Drücken der Quadrattaste ganz konkrete Zielvorgaben erteilen. Letzteres macht zum Beispiel dann Sinn, wenn es darum geht, nacheinander schwer verwundete Gegner aus dem Verkehr zu ziehen. Aber auch in vielen Endgegnerduellen kann ein perfekt platzierter Pfeil auf die Schwachstelle einer Kreatur wahre Wunder wirken.

Helfer an allen Fronten

Nebst seiner Rolle als Bogenschütze entziffert Atreus zudem die überall in der Spielwelt verteilten nordischen Runen und kommentiert das Geschehen, sofern er dies für sinnvoll erachtet. In unübersichtlichen Situationen zum Beispiel warnt er seinen Vater, wenn dieser von hinten angegriffen wird; in Puzzle-Abschnitten wiederum unterbreitet er nützliche Tipps und lotst den Spieler so in die richtige Richtung. Kurzum: Atreus ist vorbildlicher Sidekick und zu keiner Zeit der im Vorfeld vermutete Klotz am Bein.
Voll im Flow: Zwischensequenzen und Actionabschnitte gehen stets nahtlos und ohne Ladezeiten ineinander über
Quelle: Screenshot / Games.ch
Hinzu kommt: Durch die ständige Interaktion und Kommunikation zwischen den beiden Protagonisten profitiert natürlich auch die erzählerische Komponente. Wir wollen nicht zu viel verraten, aber allein die Tatsache, dass Atreus im Spielverlauf mehr und mehr über die bewegte Vergangenheit seines Vaters erfährt, sorgt für eine ganz eigene, mitreissende Dynamik. Das Interessante hierbei: Der Zuschauer spürt, dass Kratos genau diese Vergangenheitsbewältigung nur in Teilen zulassen will, um seinen Jungen zu schützen. Genau dadurch jedoch schürt er Atreus' Neugier und provoziert Konflikte, die das Potenzial haben, den Plot in ganz neue, unvorhersehbare Richtungen zu lenken. Was zum Beispiel würde geschehen, wenn jemand Atreus erzählt, dass Kratos seine damalige Frau Lysandra und seine Tochter Calliope (wenn auch nicht absichtlich) niedergemetzelt hat? Könnte Atreus diese Wahrheit ertragen? Oder würde es ihm das Herz brechen?

Wie Thors Kriegshammer – nur besser

Dass die Ergänzung von Atreus das Gameplay auf vielen Ebenen beeinflusst, steht ausser Frage. Doch auch an anderen Stellen krempeln die Macher das gewohnte «God of War»-Erlebnis gehörig um. Den Anfang macht die Kameraperspektive. Steuerte man Kratos in vorherigen Teilen stets aus einer Art Draufsicht, klemmt sich die Kamera diesmal direkt hinter die Schulter des Helden. Der grosse Vorteil: Klar, der Zuschauer ist näher dran am Geschehen und erlebt Kämpfe intensiver als je zuvor.
Kratos ahnt, dass mit den versteinerten Draugr im Hintergrund etwas nicht stimmt
Quelle: Screenshot / Games.ch
Stichwort Kämpfe: Während Atreus auf seinen Klauenbogen schwört, hantiert Kratos diesmal bevorzugt mit einer Kombination aus zwei Kriegswerkzeugen. Da wäre zum einen die rasiermesserscharfe Leviathan-Axt. Einhändig nutzbar, führt Kratos mit ihr sowohl leichte als auch schwere Angriffe durch und entfesselt – sofern er das jeweilige Manöver bereits erlernt hat – besonders wirksame Spezialattacken. Alternativ besteht die Möglichkeit, die Axt zu werfen. Netter Nebeneffekt: Aufgeladene Würfe frieren den getroffenen Gegner ein und machen ihn solange bewegungsunfähig bis Kratos die Axt – Thors Kriegshammer Mjöllnir lässt grüssen – auf Knopfdruck zurückruft. Richtig gelesen, die magische Axt saust vollautomatisch in seine rechte Hand zurück und richtet je nach Flugbahn weiteren Kollateralschaden an. Ziemlich coole Idee!

Nahkampf im Schilde

Gleiches gilt für die Tatsache, dass die Axt immer wieder in Puzzle-Abschnitten zum Einsatz kommt. An einer Stelle in der Vorabversion hat Kratos beispielsweise mit einem Metalltor zu tun, welches nur dann offenbleibt, wenn er die daran gekoppelte Kette festhält. Oder aber, der Kriegsgott schleudert die Leviathan-Axt auf den dazugehörigen Zahnrad-Mechanismus und friert diesen dadurch ein – Problem gelöst! An vielen Stellen im Spiel diente die Axt zudem der direkten Umgebungsmanipulation. Trifft man beispielsweise eine Deckenlampe, stürzt diese zu Boden und setzt Gegner in Brand oder aktiviert versteckte Mechanismen.
Und Waffe Numero zwei? Ist der sogenannte Wächterschild. Eingelassen in seine linke Armschiene und durch einen mechanischen Aufklapp-Mechanismus jederzeit abrufbar, dient er in erster Linie dazu, Pfeile, Feuerbälle und andere feindliche Geschosse abzufangen. Je nach Tastenkombination nutzt Kratos den Schild zudem als mächtige Nahkampfwaffe, die Feinde aus dem Weg rammt, bewusstlos schlägt und dergleichen mehr. 

Stark, stärker, Kriegsgott

Neue Helden-Fähigkeiten waren schon immer ein Markenzeichen der «God of War»-Reihe. Diesmal aber treibt Sony Santa Monica Studios das Prinzip auf die Spitze und offeriert mehr als 65 verschiedene Talent-Upgrades, die sich jeweils in Form von zwei Techtrees auf die drei unterschiedlichen Waffen verteilen. «Vernichtender Sturm» etwa bewirkt, dass sich die Leviathan-Axt kurzzeitig wie eine Hyäne im Körper eines Gegners festbeisst und diesen bewegungsunfähig macht. Wichtig in diesem Zusammenhang: Jeder getötete Widersacher beschert Kratos Erfahrungspunkte. Sind bestimmte XP-Vorgaben erreicht, stehen weitere Fähigkeiten-Upgrades zur Verfügung.
Zwerg Brok (hier ganz rechts im Bild) schmiedet neue Rüstungen für Kratos. Ausserdem gibt er Tipps, wie und wo Kratos und Atreus ihre Odyssee am besten fortsetzen
Quelle: Screenshot / Games.ch
Abgerundet wird das Fortschritts-System durch interessante Crafting-Elemente. Denn während unser Heldenduo Midgard und andere Welten der nordischen Mythologie erkundet, stösst es immer wieder auf Sammel-Ressourcen, wie beispielsweise Metalle und magische Objekte. Bringt man diese nun zu einem Zwerg namens Brok, nutzt er die Materialien, um die Ausrüstung der Helden Schritt für Schritt zu verbessern.

Vierfach ausblanciert

Zugegeben, auf dem ersten Schwierigkeitsgrad – hier passend «Give Me A Story» genannt – spielt neues Rüstzeug kaum eine Rolle. Wer sich jedoch auf «Give Me A Balanced Experience» oder «Give Me A Challenge» durchschlagen will, wird das vielschichtige Upgrade-System schnell zu schätzen wissen. Auf der Suche nach einer ganz besonderen Herausforderung? In diesem Fall schon jetzt eine Warnung, denn auf «Give Me God of War» – der höchsten Schwierigkeitsstufe – wirds richtig hart. So hart, dass selbst Spieldirektor Barlog eingesteht, nicht weiter als Level zwei gekommen zu sein.
Doch egal für welche Stufe Sie sich am Ende entscheiden, sobald die zentrale Geschichte abgehakt wurde, ist «God of War» noch längst nicht vorbei. Vielmehr kann jeder die riesige, in Dutzende Bereiche unterteilte Spielwelt nun weiter frei erkunden und auf diese Weise eine Vielzahl zusätzlicher Inhalte entdecken. Zitat von Barlog, der schon an zahlreichen «God of War»-Spielen in leitender Position mitwirkte: «Ich habe noch niemals zuvor in einem Spiel so viele Geheimnisse integriert wie in diesem. Sie sind wirklich überall.»
Und technisch? Lassen die Kalifornier ebenfalls nichts anbrennen. Die Action sieht schlichtweg grandios aus, läuft konstant flüssig mit 30 Bildern pro Sekunde und zählt zweifelsohne zum Schönsten, was PS4-Enthusiasten in naher Zukunft spielen können.
Atreus ist nicht nur ein hervorragender Bogenschütze, sondern auch sehr gut im Entziffern antiker Runenschriften
Quelle: Screenshot / Games.ch

Ausblick

Obwohl das neue «God of War» mit vielen Serien-Traditionen bricht und Kratos zudem einiger beliebter Fähigkeiten beraubt (Schwimmen zum Beispiel kann er nicht mehr und auch die Schmuddel-Minispiele wurden gestrichen), fühlt sich das Gebotene einfach grossartig an. Sei es nun das clever überarbeitete Kampfsystem, die viel offener angelegte Spielwelt oder die deutlich komplexeren Upgrade-Mechanismen – man merkt einfach überall, dass Cory Barlog und sein Team bewusst Risiken eingehen, um die Serie in eine neue, aufregende Richtung zu lenken. Besonders gespannt sind wir gleichwohl, wie es mit der Geschichte weitergeht. Sie nämlich birgt das grösste Evolutionspotenzial und zeigt was passiert, wenn aus Dauer-Wüterich Kratos plötzlich ein engagierter Familienvater wird, der alles daransetzt, seinen Jungen auf den rechten Weg zu losten. Dass ihm dabei ausgerechnet seine eigene Vergangenheit einen Strich durch die Rechnung machen könnte, ist einerseits tragisch – aus erzählerischer Sicht aber auch ziemlich genial und Nährboden für unzählige Überraschungen. In diesem Sinne: Es lohnt sich, den 20. April im Kalender rot anzustreichen!




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