Hin zum Massenmarkt: Wie Streaming die Fernsehwelt verändert

Streaming-Dienste bewirken ein anderes Sehverhalten

Bei manchen Serien zeigt sich dies besonders deutlich. Die fünfte Staffel von "House of Cards" wurde beispielsweise wesentlich häufiger gestreamt als über das lineare Angebot gesehen. 89 Prozent sahen sich die neuen Folgen irgendwann über das Internet an, nur elf Prozent zu den vorgegebenen Startzeiten.
Michel erklärt diese hohe non-lineare Nutzung mit einem anderen Sehverhalten. Beim herkömmlichen TV-Programm könne man locker auch andere Dinge ­nebenbei erledigen, ohne den Faden zu verlieren. Wer allerdings Serien wie "Game of Thrones" oder "The Walking Dead" ­gucke, tue dies gerne auf dem Tablet mit Kopfhörer. Michel: "Er ist ganz intensiv dabei und möchte nicht gestört werden."
Die Lust am Streaming bleibt nicht auf den Videokonsum begrenzt. Sie umfasst längst auch den Musikmarkt, wo Anbieter wie Spotify, Amazon, Apple, Deezer oder Soundcloud um Kunden werben.
Vereinfacht ausgedrückt, heisst es auch hier: Für eine monatliche Gebühr kann man so gut wie jeden Song zu jeder Zeit und so oft ­hören, wie man will. Für viele scheint dieses Flat-Modell eine attraktive Alternative ­gegenüber dem Kauf einzelner Songs oder dem Modell des klassischen Radios zu sein, bei dem der Sender bestimmt, wann welches Stück gespielt wird. In einer Umfrage des Verbands Bitkom gaben 27 Prozent der Personen (ab 14 Jahren) an, ­täglich einen Musik-Streaming-Dienst im Internet zu nutzen, 18 Prozent sogar "mehrfach täglich".

Spotify schlägt alle

Marktführer unter den Anbietern ist Spotify. Das schwedische Unternehmen kommt inzwischen weltweit auf mehr als 140 Millionen aktive Nutzer, 60 Millionen davon haben den Dienst kostenpflichtig abonniert. Da die Konkurrenz aber nur einen Mausklick entfernt ist, arbeitet Spotify daran, seine Verbreitungswege kontinuierlich auszubauen. Nach der Playstation ist der Musik-Streamingdienst jetzt auch auf der Xbox verfügbar, zudem über sprachgesteuerte Geräte wie Amazon Echo und Google Home. Gleichzeitig wird intensiv daran gearbeitet, so gut wie alle relevanten Künstler an Bord zu haben und neue Angebote wie Podcasts auszubauen.
Ob Musik, Sport oder Bewegtbild: Entscheidend in diesem Zukunftsmarkt wird sein, wer den besten Content hat. "Es geht künftig darum, wer welche Rechte besitzt und wer mit ansprechenden Produktionen die Zuschauer an sich binden kann", sagt Mediaplus-Chef Malgara.
Die TV-Streaming-Dienste nehmen diese Herausforderung sehr ernst und punkten vor allem mit komplexen Serien, an die sich die klassischen TV-Anstalten in der Vergangenheit nicht mehr herantrauten. Sie verstehen sich inhaltlich als Fernseh-Avantgarde und scheuen auch nicht vor Stories über verkorkste Randgruppen zurück. ­Damit erfahren sie jede Menge Anerkennung. Bei der Verleihung der renommierten Emmys im September wurde beispielsweise mit "The Handmaid’s Tale" zum ersten Mal eine Eigenproduktion ­eines Streamingsenders (Hulu) als beste Drama-Serie ausgezeichnet.
Geschätzt sechs Milliarden US-Dollar investiert allein Netflix in diesem Jahr in Eigenproduktionen. Dabei rückt auch zunehmend der deutsche Zuschauer in den Blickpunkt. Amazon Prime Video kündigte beispielsweise soeben eine neue Staffel der Comedyserie "Der Lack ist ab" an, nachdem man zuvor schon mit "You Are Wanted" erfolgreich war.
An allen Ecken scheint der Streamingmarkt in Bewegung zu geraten. Überall wird experimentiert - inhaltlich, mit neuen Technologien und neuen Content-Partnern. Der Disney-Konzern will einen ­eigenen Streamingdienst aufbauen, der Musikdienst Spotify und das ­Videoportal Hulu wollen ihre Inhalte bündeln, ­Steven Spielberg produziert eine SciFi-Serie für Apple, die deutsche Streaming-Plattform Pantaflix drängt auf den asiatischen Markt. Die Deutsche Telekom startet den Online-Dienst Entertain TV und präsentiert die selbst produzierte Serie "Germanized": ­Eine deutsche Firma soll ein französisches Küstenstädtchen vor der Pleite retten.




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