Digitale Souveränität für öffentliche Verwaltung
23.09.2019, 13:08 Uhr
BMI will Abhängigkeiten zu Microsoft und Co reduzieren
Das Bundesministerium des Innern möchte die digitale Souveränität in der öffentlichen Verwaltung stärken. Hierzu werden verschiedene Massnahmen geprüft, die die Abhängigkeiten zu Microsoft und Co reduzieren sollen.
Standard-Software wie Office, Outlook oder Windows werden auch von den deutschen Behörden breit eingesetzt. Damit macht sich die öffentliche Verwaltung zunehmend von einzelnen IT-Anbietern abhängig, was wiederum die digitale Souveränität gefährdet, schreibt das Bundesministerium des Innern in einer Pressemitteilung.
Um nun genau diese Abhängigkeiten zu reduzieren, hat das BMI durch die PwC Strategy& (Germany) eine strategische Marktanalyse zur Behandlung der Problematik erstellen lassen. Die Ergebnisse der Studie untermauern die Befürchtungen des Ministeriums und zeigen eine "zunehmend kritische Technologieabhängigkeit der öffentlichen Verwaltung in Deutschland, aber auch im europäischen Umfeld".
Problematisch sehen die IT-Experten insbesondere die Themen Datenschutz und Informationssicherheit, die durch die Übermittlung von Telemetriedaten gefährdet sind. Speziell die "Abhängigkeit von Microsoft-Produkten führt gemäss den Ergebnissen der vorliegenden Analyse zu Schmerzpunkten bei der Bundesverwaltung, die im Widerspruch zu den strategischen Zielen der IT des Bundes stehen".
Das zunehmende Wachstum in der Cloud sowie ein stärkeres Engagement grosser IT-Konzerne im Bereich der Open-Source-Software-Entwicklung drohen, die Abhängigkeiten zu einzelnen Anbietern zusätzlich zu verstärken.
Strikte Regeln, Neuverhandlungen und neue Software versprechen Abhilfe
Die Studie nennt zudem vier Handlungsoptionen, durch die sich die Abhängigkeiten reduzieren lassen. So sei etwa die Schaffung von Rahmenbedingungen, wie Aktionspläne, Richtlinien oder eine Gesetzgebung zur Produktdiversifizierung zielführend. Verhandlungen zur Umsetzung notwendiger Produkt- und Vertragsanpassungen mit grossen Anbietern wären ebenso denkbar - auch auf EU-Ebene.
Daneben wird auch die Ablösung von eingesetzten Produkten durch gleichwertige proprietäre Software in Betracht gezogen, um mehr Vielfalt zu etablieren. Zuletzt nennt die Studie als möglichen Lösungsansatz, den Einsatz sowie den Aufbau von Open-Source-Alternativen nach den Bedürfnissen der Bundesverwaltung.
Unabhängig von den konkret eingesetzten Massnahmen empfehlen die Experten, rasch mit der Umsetzung zu beginnen, um "die digitale Souveränität der Bundesrepublik Deutschland zu gewährleisten und Abhängigkeiten sowie (potenziell) negative Folgen nicht zu verschärfen". Die komplette Studie ist als freier Download [PDF] verfügbar.
Zickzackkurs in der öffentlichen IT-Landschaft
Nun will Bundesinnenminister Horst Seehofer also Gespräche mit IT-Anbietern führen, um die digitale Souveränität der öffentlichen Verwaltung zu retten. Dabei hatte man in der bayerischen Landeshauptstadt die Zeichen der Zeit schon lange erkannt.
Bereits 2009 wurde dort das LiMuX-Projekt gestartet, dass die 15.000 Arbeitsplatzrechner der städtischen Mitarbeiter mit Open-Source-Software versorgte und allein bis 2012 rund 25 Prozent Kosteneinsparungen im Vergleich zu üblichen Windows- beziehungsweise Office-Installationen mit sich brachte.
Ende 2017 wurde das ambitionierte Projekt mit den Stimmen der grossen Koalition von SPD und CSU im Münchner Stadtrat zu Grabe getragen, da der Einsatz marktüblicher Standardprodukte gefordert wurde. Seither sattelt München wieder auf Windows-Geräte mit dazugehörigen Office-Lizenzen um. Die Kosten für den Umstieg wurden damals für die kommenden sechs Jahre auf 86,1 Millionen Euro beziffert.
Unterdessen setzt Schwäbisch Hall schon seit 1997 erfolgreich auf Linux und andere Open-Source-Software. Seit 2003 werden konsequent vom Desktop bis zum Server freie Alternativen zu Windows und Co betrieben, wodurch die Stadt ihre Datenhoheit sicherstellt und gleichzeitig Lizenzgebühren einspart.