Mixnets
08.09.2022, 11:27 Uhr
Verschleiern für mehr Privacy
Anonym Mitteilungen übers Internet zu verschicken, ist ein wachsendes Bedürfnis. Viele Wege, die als sicher gelten, wie Ende zu Ende verschlüsselte Nachrichten, hinterlassen aber Metadaten, die viel über die Nutzer preisgeben. Mixnets könnten für Abhilfe sorgen.
Untergehen in der anonymen Zuschauermasse: die Schwingerarena am Eidgenössischen Schwing- und Älplerfest in Zug
(Quelle: Keystone/Urs Flüeler)
Sicher im Internet kommunizieren zu können, ist, spätestens seit Edward Snowden das Ausmass der Abhörkampagnen des US-Geheimdienstes NSA aufdeckte, ein Bedürfnis vieler. Sowohl Privatpersonen als auch Firmen setzen hier hauptsächlich auf Verschlüsselungstechniken, die eine Mitteilung von einem Ende zum anderen kryptieren.
Das ist sicher ein erster wichtiger Schritt und kommt in der analogen Welt dem Versand einer Postkarte in einem Briefumschlag gleich. Zwar kann nun der Inhalt der Mitteilung nicht mehr so ohne Weiteres mitgelesen werden. Allerdings bleiben wichtige Informationen wie Absender und Empfänger offen sichtbar.
Ähnliches geschieht im Internet: Auch hier bleiben sogenannte Metadaten bestehen, die auch Angreifern wichtige Informationen zur Kommunikation liefern können. Etwa wer mit wem wann wie viel spricht.
Verschleierungstaktiken
Um ein Maximum an Privatsphärenschutz in der Internet-Kommunikation zu erreichen, müssen folglich nicht nur die Botschaften an sich nicht einsehbar sein, was durch Verschlüsselung erreicht werden kann. Sondern es ist somit auch ratsam, die Metadaten für Angreifer so erfolgreich wie möglich zu verschleiern. Eine dieser Methoden ist die Verwendung eines Tor-Netzes. Bei diesem werden per Zufallsprinzip Server, die beispielsweise in verschiedenen Ländern stehen, zwischen Sender und Empfänger geschaltet, was die Rückverfolgung eines Datenpakets deutlich erschwert. Tor-Netze werden somit gerne verwendet, um anonym Webseiten aufzurufen.
Noch mehr Privatsphäre sollen dagegen die sogenannten Mix Networks, kurz Mixnets, bieten. Auch bei Mixnets werden die Daten über mehrere Server geschickt, die zwischen Sender und Empfänger geschaltet werden. Diese erschweren wie beim Tor-Netz ebenfalls die Nachverfolgbarkeit eines Datenpakets. Doch sie zünden noch zusätzliche Nebelpetarden: So fügen sie zu den bereits versendeten Datenpaketen noch weitere Datenpakete hinzu. Dadurch ist schlussendlich nicht mehr genau bestimmbar, welche Datenpakete nun vom Sender stammen und welche das Mixnet selbst schickt. Meist werden darüber hinaus die Pakete der verschiedenen User des Netzes beigemischt.
Auch der genaue Zeitpunkt der Übermittlung wird vom Mixnet verschleiert. Hier werden bewusst Zeitverzögerungen für die Weiterbeförderung der Datenpakete eingefügt, sodass von aussen nicht mehr ersichtlich ist, wann eine Nachricht genau verschickt wurde.
Dieses Mehr an Privatsphäre hat allerdings einen Preis, da unweigerlich mehr Ressourcen für den Versand aufgewendet werden müssen. Hinzu kommt die bereits erwähnte bewusste zeitliche Manipulation der Übermittlung. Die Betreiber von Mixnets weisen allerdings darauf hin, dass die Netzwerkinfrastruktur seit der Einrichtung von Tor im Jahr 2000 um einiges an Leistung zugelegt hat, sodass Latenzen und Skalierbarkeit trotz des offensichtlichen Mehraufwands, den Mixnets erfordern, nicht leiden würden.
Zwei Schweizer Start-ups mischen mit
Gleich mehrere Start-ups sind derzeit dabei, Mixnets für User einzurichten. Neben Orchid und Xxnetwork, das vom Kryptospezialisten David Chaum gegründet wurde, der das Konzept hinter dem Mixnet bereits im Jahr 1981 aufzeigte, mischen auch zwei Schweizer Start-ups mit. Dabei handelt es sich einerseits um die in Neuenburg beheimatete Nym Technologies und die Zürcher Hopr. Während sich die Konzepte der beiden ähnlich sind, haben die Start-ups derzeit noch einen anderen Verwendungszweck.
Gemäss Nym – der Name ist eine Anlehnung an «anonym» – liegt derzeit der Fokus noch darauf, für Blockchain-Systeme ein anonymes Umfeld zu bieten. Mittelfristig arbeite man allerdings daran, starken Privatsphärenschutz für das ganze Internet bereitzustellen, wie es im Selbstbeschrieb der Firma heisst.
Hopr präsentiert auf seiner Webseite drei Verwendungszwecke für sein Mixnet. So wird Hopr dazu genutzt, medizinische Daten etwa eines Patientensensors oder einer Gesundheits-App sicher an Ärzte oder Krankenhäuser zu schicken. Daneben soll dank Hopr der Erwerb von Kryptowährungen wie Ethereum besser abgesichert werden. Den Betreibern zufolge würden nämlich Anwender, die sich mit einem Anbieter von Kryptowährungen verbinden, Metadaten wie ihre derzeitige IP-Adresse preisgeben. Dadurch könnten Aussenstehende auf die Identität der Käufer schliessen. Durch die Verwendung des Hopr-Mixnets soll dies verhindert werden können. Schliesslich soll Hopr für die Verschleierung der Metadaten im dezentralisierten Energiemarkt dienen. Damit könne verhindert werden, dass es zu Preismanipulationen komme.
Coins statt Idealismus
Sowohl Nym als auch Hopr setzen beim Betrieb ihrer Mixnetze auf ein ausgeklügeltes Anreizsystem, das auf eigenen Token beruht. Wer beispielsweise seinen Rechner in einen Knoten verwandelt und so zum Mixnet aktiv beiträgt, wird mit den hauseigenen Kryptomünzen belohnt. Handkehrum müssen Anwender des Netzes für die Nutzung der Dienste diese in den Jetons bezahlen. Diese sind in verbreitete Kryptowährungen konvertierbar.
Mit diesem Bezahlsystem wird idealistischen Konzepten, die rein auf die Unterstützung von Freiwilligen setzen, eine Absage erteilt. «Wir glauben nicht, dass es praktikabel ist, das Kommunikationssystem, das wir uns vorstellen, gratis zu betreiben, also ganz auf Freiwilligenbasis», schreibt Nym in einem Whitepaper. Wirtschaftliche Anreize seien nicht nur notwendig, um das Mitmachen zu fördern, sondern auch um Missbrauch zu verhindern, heisst es weiter. So könne die Verwendung von Token verhindern, dass das System für Spam-Kampagnen oder für DDoS-Attacken missbraucht werde.
Hopr betont in diesem Zusammenhang, dass Token auch dazu dienen, den Versand der Daten zu bestätigen. So erhalten die Node-Betreiber nur dann die hauseigenen Kryptomünzen, wenn ihr Rechner auch wirklich für das Mixnet etwas geleistet hat.
Schliesslich erhalte der Schutz der Privatsphäre dadurch einen Preis und einen Wert. «In der Massenüberwachungsmaschinerie, die Google und Facebook kreiert haben, erhielt die Privatsphäre den Wert null», postuliert Nym. Das hauseigene Token könne den Anwendern daher dazu dienen, des Werts der eigenen Privatsphäre wieder bewusst zu werden, lautet die Argumentation.
Dieser Artikel ist im Rahmen der «Top 500»-Sonderausgabe von Computerworld erschienen. Das Heft einschliesslich Ranking lässt sich auf dieser Seite bestellen.