Konferenz «Finance 2.0»
31.03.2018, 11:01 Uhr
Kunden nehmen das Banking selbst in die Hand
Bis anhin dienen die Schweizer Banken den Konsumenten ihre Banking-Produkte an. Die Kunden wollen das Banking aber selbst in die Hand nehmen – zum Beispiel mit ICOs.
Marc Bernegger, Andrea-Franco Stöhr, Ralf Glabischnig, Rasoul Jalali und Yassin Hankir (von links) an der «Finance 2.0»
(Quelle: computerworld.ch)
Die Schweizer Banken investieren Millionen in neue Kundenschnittstellen. Allerdings ist das Banking für die Konsumenten weiterhin vergleichsweise umständlich. Trotz modernisierter Technologie ist kaum echte Innovation zu sehen. Die Konferenz «Finance 2.0» in Zürich wollte Denkanstösse liefern für mehr kundenzentrierte Banking-Lösungen.
Die wohl grösste Kundenzentrierung findet zurzeit zwar im Finanzbereich, aber abseits der Schweizer Banken statt. Im Crypto Valley Zug lancieren quasi wöchentlich neue Start-ups Anwendungen für Konsumenten. Und die Konsumenten finanzieren die neuen Ideen mit ihrem eigenen Geld. Die Initial Coin Offerings (ICO) waren Thema einer Diskussionsrunde an der «Finance 2.0».
Konsumenten als Investoren
Die ICOs werden von den Jungunternehmern im Crypto Valley und auch anderswo genutzt, um von hunderten oder tausenden Investoren (oder auch Konsumenten) Geld einzusammeln für die Weiterentwicklung ihrer Produkte. Dafür bietet der Standort offenbar beste Voraussetzungen. «Die Schweiz und Liechtenstein haben mit der Regulierung von ICOs einen grossartigen Job gemacht», sagte Yassin Hankir, der Gründer von Savedroid. Sein Firmensitz Deutschland hinke in diesem Bereich um Jahre hinterher. Auch Ralf Glabischnig, Mitgründer von Lakeside Partners, sah in ICOs eine grosse Chance für die Schweiz. Die Finanzierung mit Venture Capital funktioniere bis anhin hauptsächlich im Silicon Valley in den USA. Nun positioniere sich die Schweiz mit der neuen Art der Kapitalbeschaffung über Kryptowährungen. Und zieht die Aufmerksamkeit der Welt auf sich: Glabischnig berichtete, dass die Geschäftsleitung des Zahlungsdienstleisters PayPal für einen Erfahrungsaustausch mit dem Privatjet in Zug eingeflogen sei.
Für die Konsumenten bietet die Kryptowährungsverkauf die Möglichkeit, ihr Geld auch in Tiefzinsphasen anzulegen. Dabei bevorzugen die Investoren offenbar eher kleinere Beträge, um das Risiko zu streuen. «Kleine Summen bei den ICOs ermöglichen höhere prozentuale Gewinne», sagte Rasoul Jalali, COO von Tend Technologies. Nach seinen Worten möchten die User nicht 10-Prozent-Aktien kaufen, sondern eher 0,001-Prozent-Anteilsscheine.
Für den Herausgeber der Kryptowährungen wird die grosse Anzahl der Anteilseigner zu einer Herausforderung. «Wir haben eine Telegram-Gruppe für Investor Relations mit über 40'000 Mitgliedern», sagte Savedroids Hankir. Er und seine Gründerkollegen haben bei ihrem ICO über 35 Millionen Euro eingesammelt. Allerdings ist die Kapitalbeschaffung nicht gratis: «Ein ICO kostet ab 500'000 Franken für unter anderem Anwälte und Genehmigungen», sagte Glabischnig. Mit einem Juristen wie Andrea-Franco Stöhr als Head of Legal dürfte es für Crypto Real Estate beim ICO im April etwas günstiger werden, scherzte Moderator und Fintech-Investor Marc Bernegger.
Millionen für die Digitale Bank
Die Kunden des Finanzdienstleisters Six sind in erster Linie die Schweizer Banken. Sie sollen von dem neu installierten Geschäftsbereich für Innovation profitieren, sagte Group CEO Jos Dijsselhof an der «Finance 2.0». Um Innovationen auf dem Finanzplatz Schweiz zusätzlich zu fördern und die Zusammenarbeit mit Start-ups zu intensivieren, legt Six zudem einen mit 50 Millionen Franken dotierten Venture Fund auf, kündigte er an.
Jos Dijsselhof von Six will gemeinsam mit den Banken den Finanzplatz Schweiz stärken
Quelle: computerworld.ch
Kundenzentriertes Banking
Den Schweizer Banken beim Entwickeln neuer, kundenzentrierter Produkte helfen will das Beratungsunternehmen Accenture Interactive. Der Managing Director, Thomas Ruck, rief die rund 280 Teilnehmer auf, sich an den Technologie-Giganten Amazon, Apple, Facebook und Google ein Vorbild zu nehmen. Sie hätten jeder für sich eine Kundenschnittstelle neu erfunden, indem sie eine optimale Kombination aus Benutzererlebnis, Kundeninteraktion und Wertschöpfung gefunden hätten. Dabei haben immer der Kunde und nie der Prozess im Mittelpunkt gestanden, sagte Ruck. Das könnten die Schweizer Banken ebenfalls schaffen.
Auch Microsoft will den Finanzinstituten bei neuen Lösungen helfen. Wie Martin Moeller von Microsoft Schweiz sagte, kann Technologie schon sehr viel nützen: die «Augmented Intelligence» aus der Microsoft-Cloud zum Beispiel. Die Anwendungen für Bild-, Sprach- sowie Textverarbeitung sollen den Banken die Analyse von Konsumentendaten und den Kundeninteraktionen auf unterschiedlichen Kanälen ermöglichen. Daneben kann die Künstliche Intelligenz aus der Cloud auch bei Investitionsentscheiden hinzugezogen werden. Das am häufigsten genannte Argument gegen die Cloud – die Datenschutz- und Sicherheitsvorbehalte – wusste Moeller zu entkräften. Seine Ankündigung einer Microsoft-Cloud in Schweizer Rechenzentren sorgte für spontanen Applaus.
Von langer Hand geplant hat Rino Borini die Konferenz «Finance 2.0». Der Mitveranstalter war verstimmt über den Missstand, dass es in der Schweiz keine Absprachen gebe zwischen den Konferenzinitiatoren. Denn parallel zur «Finance 2.0» habe es noch weitere Anlässe zu Fintech-Themen gegeben. So konnte Borini erstmals weniger Teilnehmer zählen als in den Vorjahren. Mit den 280 Registrierungen zeigte er sich im Gespräch mit Computerworld aber trotzdem zufrieden.