Abzocke mit Tausenden Kunden? 12.12.2023, 12:03 Uhr

Fust verschickt Garantieverlängerung in Rechnungsform

Sie haben von Fust.ch eine «Rechnung» bekommen, obwohl Sie gar nichts gekauft haben? Sie sollen für eine Garantieverlängerung bezahlen, da «heute eine Reparatur schnell teuer zu stehen kommt»? Stopp, nichts bezahlen!
(Quelle: Fust.ch)
Kein feiner Zug! Ein PCtipp-Mitarbeiter hat Post bekommen. Und die hat es sprichwörtlich in sich: Fust.ch verschickt an Haushalte, die schon einmal beim Detailhändler eingekauft haben, «Garantieverlängerungen». Allerdings sieht der zugestellte Brief nicht aus wie ein freundlicher Reminder, sondern ist im Stil einer sofort zahlbaren Rechnung verfasst.

Der Brief ist oben rechts zwar mit «Offerte Garantieverlängerung» gekennzeichnet, direkt darunter gibt es dann aber gleich eine Zahlungsaufforderung mit den Vermerken «Vertrag-Nr.» und «Zahlbar bis:».

Wie eine Rechnung gestaltet

Die «Offerte Garantieverlängerung» sieht aus wie eine kostenpflichtige Rechnung
Quelle: PCtipp
Zahlteil hängt gleich unten dran:
Aber auch so sieht der gesamte Brief (plus zweite Seite, die auf die Garantiverlängerungsleistungen hinweist) wie eine Rechnung aus, kommt mit einer Artikelnummer und einem Produkt, das Sie bei dem Händler gekauft haben. Und ganz unten befindet sich noch ein Zahlteil, der am Brief als Empfangsschein deklariert ist, und mit dem man die «Rechnung» sofort begleichen sollte.

Selbst bei genauerem Hinsehen finden sich Vermerke wie: «Die Herstellergarantie auf Ihrem Gerät wird demnächst ablaufen […]», «Jahresprämie» oder «mit der Bezahlung der Jahresprämie sind folgende Leistungen gedeckt[…]».

Eben! Das Ganze ist wie eine Rechnung gestaltet. Ist es aber natürlich nicht! Fust.ch verschickt solche Briefe, um eine Garantieverlängerung eines vor Jahren gekauften Produkts zu erreichen. In unserem Fall soll der Empfänger 100 Franken bezahlen, um eine Garantieverlängerung für ein Jahr (!) zu erhalten. PCtipp schätzt, dass wohl rund 2 bis 3 Prozent, die solch eine «Rechnung» zugeschickt bekommen, dieser tatsächlich Folge leisten und auch bezahlen. PCtipp findet, dass Fust.ch hier den Bogen eindeutig überspannt! Zwar bekommen Anwender eine Verlängerung der Garantie, die Art und Weise wie das Fust.ch macht, ist aber mehr als fragwürdig.


«Auf keinen Fall bezahlen, auch wenn es auf den ersten Blick so ausschaut!»



Um es klarzustellen: Bei dem zugeschickten Brief handelt es sich nicht um eine Rechnung! Sie müssen diese «Offerte Garantieverlängerung» nicht bezahlen! Sie sollten stattdessen beide Zettel, sofern Sie keine Garantieverlängerung wollen, sofort entsorgen.
Auf den folgenden Seiten geben wir wichtige Hilfestellungen rund um Ihr Recht auf Garantie. Ausserdem zeigt der PCtipp, was zu tun ist, wenn es zu einem Garantiefall gekommen ist.

Lesen Sie auf der nächsten Seite: Garantie, Ihr gutes Recht

Garantie, ihr gutes Recht!

Verkäuferrecht, Garantie, Umtauschrecht! Wer blickt da noch richtig durch? PCtipp klärt die wichtigsten Fragen.

Frage 1: Was heisst eigentlich Garantie?


Antwort: In der Schweiz ist sie verankert im Obligationenrecht und bedeutet, dass der Verkäufer eine Gewährleistungspflicht gegenüber dem Käufer hat (letzterer hat damit ein Gewährleistungsrecht). Der Verkäufer muss dafür Sorge tragen, dass dieses Gerät für die Dauer der Garantie in einem tadellosen und 100% funktionellen Zustand ist.

Frage 2: Wie lange gilt die Garantie?

Antwort: Sie ist laut Gesetz auf zwei Jahre befristet, und zwar verkäuferseitig. Das heisst: Sie kaufen direkt beim Verkäufer, muss er dafür Sorge tragen. Keine Regel ohne eine Ausnahme: Handelt es sich zum Beispiel um ein refurbished (wiederaufbereitetes), neuwertiges Produkt, kann der Händler quasi in Eigenregie die Garantiedauer auf ein Jahr befristen.

Frage 3: Was ist mit der Herstellergarantie?

Antwort: Die gibt es eigentlich gar nicht, jedenfalls ist sie zumindest in der Schweiz nicht gesetzlich festgelegt. Der Hersteller macht das quasi in Eigenregie. Wichtig für Sie: Diese läuft parallel zu der Garantie/Gewährleistung des Händlers. Zweitens umfasst sie oft nicht das gesamte Produkt, sondern nur Teilkomponenten, beispielsweise ein Display oder ein Akku. Das heisst: Sie müssen genau hinschauen, was genau von der Herstellergarantie abgedeckt ist.
Und hier noch ein Extratipp: Verschlafen Sie nicht die Garantieerweiterung. Oft bietet der Hersteller, wenn Sie sich bzw. das Neugerät auf seinem Portal registrieren, für einen gewissen Zeitraum (z. B. bis 30 Tage nach Kauf) eine Garantieerweiterung um ein Jahr. Das heisst: Aus zwei Jahren können dann drei Jahre werden. So lässt sich kostenlos von einer Garantieerweiterung profitieren.

Frage 4: Wohin nun mit dem Gerät im Garantiefall?

Antwort: Ihre erste Anlaufstelle in den ersten zwei Jahren ist immer der Verkäufer. Haben Sie z. B. ein Smartphone bei Swisscom gekauft, gehen Sie zu Swisscom. Stammt ein Notebook von Digitec, gehen Sie damit zu Digitec. Erst danach wird der Hersteller in die Pflicht genommen, sofern er eine verlängerte Garantie anbietet, die über diese zwei Jahre hinausgeht.

Extratipp: Falls Sie zum Hersteller gehen, nehmen Sie erst Kontakt mit ihm auf. Es könnte unter Umständen auch ins Geld gehen, nämlich dann, wenn Sie das Gerät auf Ihre Kosten an seinen Servicestandort im Ausland schicken müssen. Klären Sie es vorher ab.
Lesen Sie auf der nächsten Seite: Gerät ist ein Garantiefall! Was zu tun?

Gerät ist ein Garantiefall! Was ist zu tun?

Was, wenn Ihr Gerät zu einem Garantiefall wird? Welche Rechte haben Sie? Auch hier beantwortet der PCtipp die wichtigsten Fragen.


Frage 5: Haben Sie bei einem Defekt Anrecht auf ein neues Gerät?


Antwort:
Das kommt drauf an! Auf jeden Fall stehen grundsätzlich drei Optionen zur Diskussion: Preisnachlass, Geld zurück oder ein gleichwertiges neues Ersatzprodukt. Das Problem liegt allerdings im Detail. Etwa in den AGB des Händlers kann festgelegt sein, dass er vom Recht Gebrauch macht, es zu reparieren bzw. reparieren zu lassen. Kommt es zum Kauf, sind Sie an diesen Vertrag gebunden. Das heisst: Sie überlassen ihm das defekte Gerät zur Reparatur. Dies dauert für gewöhnlich länger als ein direkter Austausch, sodass Sie unter Umständen ein paar Wochen auf das Gerät verzichten müssen. Das kann nervig sein.

Frage 6: Darf der Händler ein Gerät bei wiederholten Defekten beliebig oft reparieren lassen?

Antwort: Nein. Beim dritten Defekt desselben Gerätes innerhalb der Garantiezeit können Sie darauf pochen, ein gleichwertiges Ersatzgerät zu erhalten, alternativ treten Sie komplett vom Kaufvertrag zurück.

Frage 7: Läuft die Garantiedauer eigentlich trotz des Defektes weiter?

Antwort: Nicht, während Sie auf die Reparatur warten. Sobald Sie den Defekt dem Händler melden, wird die Garantiedauer unterbrochen und läuft erst dann wieder weiter, wenn das reparierte Gerät zurück bei Ihnen ist. Wenn übrigens defekte Teile ausgetauscht wurden, sind diese davon nicht betroffen. Das heisst: Auf diese Teile haben Sie wieder die volle Garantie (meist zwei Jahre).

Frage 8: Ist die Garantie eigentlich an irgendetwas, wie zum Beispiel die Originalverpackung gekoppelt?

Antwort: Nein. Die Garantie betrifft das Gerät, unabhängig von der Verpackung. Geht ein Gerät während der Garantiezeit (ohne Ihr Verschulden) kaputt, können Sie es reparieren lassen.

Frage 9: Wer hat eigentlich recht, wenn das Gerät kaputt ist und der Verkäufer sagt, es sei Ihre Schuld?


Antwort:
Das ist so geregelt, dass derjenige, der darauf pocht, die Beweislast führen muss. Fragen Sie also nach, verlangen Sie Beweise dafür, dass der Defekt durch Ihr Verschulden zustande kam. Kann der Händler dem nicht nachkommen, haben Sie wieder Oberwasser. Holen Sie sonst auch noch eine Zweitmeinung bei einem anderen Händler oder bei einer anderen Fachperson ein.




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