AWK und die Zukunft des ÖVs
Starke heimische Lösungen als Schutz vor ausländischen Dritten
Mit den geeigneten Rahmenbedingungen und dem richtigen Spirit könnten Schweizer Player selbst Lösungen entwickeln, bevor die internationalen Big Player auf den heimischen Markt drängen, hob Balmer hervor. Die Zusammenarbeit könne zudem für eine verbesserte Marktpräsenz insbesondere kleinerer Anbieter führen, die neben Bahn und Bus bisher weniger oder erst vor Ort wahrgenommen werden, etwa lokale Taxi-Dienste oder Bergbahnbetreiber.
Ziel müsse es sein, dass Passagiere mit einem Prozess alle Buchungen von A nach B abwickeln können, betonte Balmer. Start-ups wie Fairtiq zeigten, was heute bereits machbar sei. Bei der App Fairtiq können Passagiere den ÖV nutzen, indem sie bei Reiseantritt etwa in der Tram mit der App den Startpunkt definieren und am Ende der Reise den Endpunkt. Die App ermittelt dann automatisch den günstigsten Ticketpreis, der dem Fahrgast dann verrechnet wird. Für neue Angebote braucht es keine grundlegend neue Technik. Helfen könnte etwa die Open-Data-Plattform ÖV Schweiz.
Bis Ende des Jahres werde dem Bundesrat ein Massnahmenplan mit Aktivitäten für den besseren Zugang zu Mobilitätsdaten, Koordination Standard und zu Fragen der Governance vorgelegt, heisst es im Faktenblatt «Multimodale Mobilitätsdienstleistungen» des BAV. In einer Vernehmlassungsvolage inklusive Gesetzesentwurf sollen bis Jahresende die allgemeinen Rahmenbedingen festgelegt werden. Hierfür wünschen sich die BAV-Vertreter eine möglichst breite Debatte, um eine optimale Lösung zu finden.
Bundesrat will Mobility as a Service fördern
Die Planungen des BAVs kommen nicht von ungefähr. Der Bundesrat hatte im Dezember des letzten Jahres beschlossen, die multimodale Mobilität zu fördern und zu vereinfachen. Neben den Handlungsempfehlungen von AWK beschreibt auch eine Studie «Chancen und Risiken einer Öffnung des Zugangs zum ÖV-Vertrieb» die Möglichkeiten der Schweiz beim Thema Mobility as a Service.
Allerdings gibt es insbesondere auf politischer Ebene noch zu tun. Etwa beim Transportgesetz, wie im Schlussbericht « Individualisierung des ÖV-Angebots» auf Seite 148 heisst. Die verschiedenen Mobilitätsangebote werden demnach heute in unterschiedlichen Gesetzen auf unterschiedlicher Ebene geregelt. Während der klassische ÖV massgeblich über Bundesgesetze gesteuert werde, werde beispielsweise das Taxigewerbe durch kommunale Gesetzgebungen reguliert. Zudem würden neue Mobilitätsangebote wie Ridesharing vom bestehenden Regulativ nicht erfasst.
Bis Passagiere vor ihrem Flug von London nach Genf gleich noch ein Billet für den Genfer ÖV lösen können, dürften noch ein paar Jahre vergehen, da sich die politischen und wirtschaftlichen Akteure noch einigen und Lösungen ausarbeiten müssen. Gemäss dem Faktenblatt ist ein theoretischer Zeithorizont von zirka drei Jahren geplant.