10.12.2007, 00:00 Uhr
Portalbetreiber sind im deutschen Web-2.0 für Kommentare haftbar
Blogbetreiber müssen Kommentare bei heiklen Themen vorab kommentieren, bei nicht so heiklen Themen nicht, finden die Richter am Landgericht Hamburg. Wieder einmal sorgt ein Urteil des Landgerichts Hamburg für Stirnrunzeln in der Internet-Branche: Der Weblogger Stefan Niggemeier wurde von den dortigen Richtern dazu verdonnert, Kommentare in seinem Weblog vorab zu kontrollieren, um sicherzustellen, dass keine Rechte Dritter verletzt würden. Dem Urteil zugrunde lag eine Klage der Firma Callactive, die Anrufsendungen für MTV produziert. Der Medienjournalist Niggemeier hatte in seinem Weblog einen kritischen Beitrag darüber geschrieben und nach Meinung der Richter allein durch die "Brisanz des Ursprungsartikels vorhersehbar rechtswidrige Beiträge Dritter provoziert" und "durch die Anfügung der Rubrik 'Kommentare' Dritte geradezu dazu aufgerufen, sich zu äussern."
Brisant an der Geschichte ist, dass Niggemeier selbst den Beitrag, den ein Unbekannter in einer Nacht zum Sonntag um 3.06 Uhr in seinem Weblog postete, am darauffolgenden Sonntag um 11.06 Uhr unaufgefordert löschte, weil er ihn selbst für unzulässig hielt. Dies jedoch war den Hamburger Richtern zu spät. Niggemeier hätte die Kommentare vorab prüfen müssen, so deren Rechtsauffassung. Immerhin gestanden sie dem Medienjournalisten zu, vieles richtig gemacht und schnell reagiert zu haben. Sie plädierten für einen Vergleich, wonach Niggemeier die geforderte Unterlassungserklärung abgeben, nicht aber die Kosten der Gegenseite tragen müsse. Der Beklagte lehnte ab, weil er einen zwingenden Verzicht auf eine offene Kommentarmöglichkeit bei brisanten Einträgen nicht akzeptiert. "Würde sich das Rechtsverständnis des Hamburger Landgerichts, wie es sich in vielen Entscheidungen zeigt, durchsetzen, wäre das das Ende der offenen Diskussion in Foren, Blogs und Online-Medien. Denn das Risiko, ein Forum oder ein Blog zu betreiben, das sich in irgendeiner Form mit heiklen Themen oder dubiosen Geschäftspraktiken befasst, wäre viel zu gross", schreibt er in seinem Blog. Gegen das Urteil will er Berufung einlegen. (ph/iwb)