Corona-Krise
09.04.2020, 06:55 Uhr
Diese Produkte lassen sich jetzt noch gut verkaufen
Auch ohne Laden verkaufen viele Händler weiter. Eine Umfrage unter Distributoren zeigt, dass einige Produkte vor allem für das Homeoffice stark gefragt sind.
Wegen der Corona-Krise verkauft sich gar nichts mehr“ – so denken manche Händler, während andere online oder per Bestellung weiter Kunden bedienen. Das geht aber nicht immer mit den gleichen Produkten wie noch vor einigen Wochen. Wir haben Distributoren und Kooperationen befragt, wie sich die Krise auf ihr Hard- und Cardware-Geschäft auswirkt und einige interessante Antworten erhalten.
Dass es einen Absatzeinbruch gegeben hat, räumen fast alle ein, besonders getroffen sind die Kooperationen und ihre Mitglieder. Frank Harder, Vorstand für Vertrieb, Marketing, E-Commerce und Service der Expert SE: „Da unsere über 450 Standorte von heute auf morgen schliessen mussten, konnten wir trotz grossem Engagement im Telefon- und Online-Verkauf das einbrechende Absatzvolumen nicht kompensieren.“
Der Preiskampf droht
Da aber die Hersteller weiter Produkte verkaufen müssen, könnte es durch Lagerdruck bei manchen Produkten, die nicht nachgefragt werden, im Netz auch ruinöse Preiskämpfe geben. Das befürchtet etwa Friedrich Sobol, Vorstand von ElectronicPartner: „Wir gehen davon aus, dass sich die Hersteller immer intensiver mit Aktionen auf ihr Online-Geschäft fokussieren werden, um ausbleibende stationäre Umsätze aufzufangen. Dies wird höchstwahrscheinlich zu einer Verstärkung des Preiskampfs führen.“
Wohl eher weniger wird das bei Geräten passieren, die in die jetzt so wichtigen Heimarbeitsplätze gehören. Das sind Computer vor allem in Form von Notebooks, aber auch Videokonferenzsysteme, professionelle Headsets und Webcams. Wolfgang Jung, Executive Director Core Solutions & Purchasing bei Ingram Micro: „Aufgrund der recht kurzfristigen, nahezu flächendeckenden Einführung von Homeoffice erleben wir hier seit Mitte März einen wahren Boom.“ Ähnliche Erfahrungen hat Valon Kuci, Prokurist bei Michael Telecom, gemacht: „Die Nachfrage für Headsets, Notebooks, Videokonferenzsysteme und entsprechender Software, UC-Lizenzen für ITK-Systeme und UC-Software ist signifikant gestiegen.“ Ähnlich auch die Einschätzung von Herweck-Vorstand Hans-Jürgen Witfeld: "Der Hardwareabsatz hat sich insoweit verändert, dass Komponenten, welche für eine Homeoffice-Infrastruktur benötigt werden, zur Zeit natürlich sehr stark nachgefragt sind, das heisst Headsets, IP Telefone, VPN Lizenzen, et cetera". Der Absatz von Consumerhardware wie Smartphones sei zwar rückläufig, aber noch nicht in dem erwarteten Umfang.
Wegen der schwierigen Prognosen dürften einige Hersteller mit einer Ausweitung ihrer Produktion zurückhaltend sein. Bei Notebooks etwa gibt es kurzzeitig einen Boom und Lieferengpässe, da ein gesteigerter Bedarf in Europa auf Produktionsausfälle in Asien und Transportprobleme von dort in den Rest der Welt trifft. Zudem sind diese Geräte nicht nur für den professionellen Einsatz stark gefragt, sondern in Zeiten von Ausgangsbeschränkungen auch als Entertainer und Spieleplattform. Bei der normalerweise langen Haltedauer der Hardware, die den Herstellern seit Jahren bei den Verkäufen zu schaffen macht, wären Absatzprobleme dann aber mittelfristig durchaus realistisch und der dann gesättigte Markt könnte sogar unter das Niveau von vor der Krise rutschen.
Auch alles, was mit der Konnektivität zu Hause zu tun hat, läuft derzeit gut bis sehr gut. Zu den Rennern gehören etwa WLAN-Repeater und vor allem LTE-Router, die bei Problemen im Festnetz eine Datenverbindung zur Aussenwelt gewährleisten können. Gerade in diesem Segment gibt es nur wenige Hersteller, der Marktführer Huawei etwa konnte zeitweise den Bedarf nicht decken, sieht den Engpass mit Wiederaufnahme der Produktion in China aber als überwunden an.
Schwierige Smartphones
Wie sich dagegen das Geschäft mit Smartphones entwickelt, beurteilen die Grosshändler unterschiedlich. Einige sehen einen erhöhten Bedarf durch Kunden, die gerade jetzt ein besseres Gerät wollen, oder erkennen zumindest keinen deutlichen Einbruch des Absatzes. Andere wie der Brodos-CEO Dominik Brokelmann stellen dagegen einen erheblichen Rückgang der Bestellungen ab Mitte März fest. Unter der Krise leidet auch das Zubehörgeschäft, das oft per Zusatz- oder Spontankauf im Laden erfolgt. Zudem gibt es hier immer wieder Logistikprobleme der oft kleineren Hersteller aus China.
Eine Renaissance erleben dagegen die seit Jahren im Absatz schwächelnden Tablets, die plötzlich in vielen Haushalten als zusätzlicher Bildschirm zum Einsatz kommen, um damit etwa auch Kindern den Zugang zum Internet zu ermöglichen. Allerdings berichten mehrere Distributoren von Lieferproblemen ausgerechnet beim Marktführer Apple. Diese fallen beim iPad durch die gute Nachfrage stärker ins Gewicht als bei den aktuell weniger gekauften iPhones.
Besonders schwierig wird es dagegen im Mobilfunk-Vertragsgeschäft: Zwar gibt es Kunden, die nun schnellere Leitungen mit mehr Bandbreite brauchen, doch ohne persönliche Beratung im Shop sind diese Prozesse für den Fachhandel schwer zu leisten. Friedrich Sobol erklärt: „Das Geschäft mit Mobilfunk- und Festnetzverträgen wird aktuell durch die Tatsache erschwert, dass der Abschluss unter Einhaltung des vorgeschriebenen Abstands erfolgen muss – zum Beispiel um die Identität zu legitimieren. Das gelingt nur an wenigen Standorten.“
Festnetz statt Mobilfunk
Auch Dominik Brokelmann sieht in diesem Bereich grosse Probleme: „Auch wenn vereinzelt jetzt wieder Läden öffnen, bleiben doch die Endkunden in der derzeitigen Situation daheim. Der Fokus des Handels sind Festnetzprodukte und Vertragsverlängerungen. Dort erwarten wir nur einen geringen Rückgang, im Mobilfunk-Neugeschäft Privatkunden allerdings bis zu 50 Prozent.“ Rene Weingärtner, Vertriebsbeauftragter Fachhandel bei ASVG, ist etwas optimistischer: „Wir gehen davon aus, dass der Tiefpunkt erreicht ist und wir uns noch wenige Tage auf diesem Niveau bewegen. Ein Zuwachs des Bestellvolumens erhoffen wir uns aufgrund punktueller Wiedereröffnungen von einigen Shops.“
Bei den Festnetzanschlüssen verschwimmen bei vielen der erstmaligen Heimarbeiter die Grenzen zwischen dem eigentlich privaten Internet und der nun geforderten beruflichen Nutzung. Oft muss sich die ganze Familie den Anschluss und die verfügbare Bandbreite teilen, was Konfliktpotenzial birgt. Thomas Gross, Executive Director Advanced Solutions bei Ingram Micro, sieht darin Chancen: „Bandbreiten werden noch wichtiger, vor allem geprägt durch Videolösungen. Daher gehen wir von einem erheblichen Upgrade der bestehenden Verträge aus. Parallel wird es auch zu neuen Zweitanschlüssen vor allem in Privathaushalten kommen, um die Quality of Service sicherstellen zu können.“
Und Ralf Adam, Geschäftsführer von faro.com, erklärt: „Die Auftragseingänge des Fachhandels sind sowohl im Mobilfunk- als auch im Festnetzbereich zurückgegangen. Die TV-Angebote der Netzbetreiber finden jedoch vermehrt Absatz. Insbesondere Händler, die im Geschäftskundensegment unterwegs sind, haben aktuell gute Ansätze, mobile Daten-, Sprach-, Office- und Heimvernetzungs-Lösungen zu vermarkten, und performen besser. Die Steigerungen in diesem Bereich können jedoch Rückgänge im Privatkundengeschäft nicht kompensieren.“
Ähnlich ist die Prognose von Sven Hollemann: „Für den April ist zu erwarten, dass die Restriktionen im Einzelhandel einen spürbaren negativen Einfluss auf die zu erwartende Absatzmenge im Mobilfunk- und Festnetzbereich haben werden. Trotz der Kompensation durch Inbound-Vermarktungslösungen der Netzbetreiber (Telefonische Vermarktung und Vermarktung per E-Mail) wird die Konsumentennachfrage sich stark in Richtung Onlinehandel orientieren.“
Doch irgendwann wird sich die Lage auch wieder normalisieren und dann könnten manche Produkte, die eher freizeitorientiert sind und in der Krise weniger gekauft werden, wieder gefragt sein. So verzeichnen viele Distributoren aktuell einen Rückgang bei Wearables, weil diese von den Konsumenten, die zu Hause bleiben, seltener benötigt werden. Doch viele andere Kommunikationsgeräte sind in der Krise für die Menschen wichtiger denn je geworden – wer diesen Bedarf bedienen kann, leidet weniger unter diesen Zeiten als andere.