Fehlender Fokus 27.06.2017, 06:44 Uhr

Alles über den Mythos Multitasking

Multitasking ist ein nettes Wort für fehlende Priorisierung. Das vermindert die Effizienz, statt sie zu steigern. Fallen Sie nicht darauf herein.
(Quelle: Kaspars Grinvalds / Shutterstock.com)
Dieser Artikel wurde von Claudia Simon und Uwe Techt verfasst, der Geschäftsführung des Beratungsunternehmens Vistem.
Die grösste Herausforderung für viele CIOs ist es, neue Projekte parallel zum laufenden Betrieb zu bewältigen – etwa im Rahmen der Digitalisierung. Multitasking mag deshalb in ihren Ohren positiv klingen. So ist ein multitasking­fähiger Prozessor besonders schnell und leistungsstark. Übertragen auf den Menschen heisst das: Wer sich gleichzeitig mehreren Dingen widmet, kann in kurzer Zeit mehr erledigen und demzufolge effektivere Ergebnisse erzielen.
Doch weil Menschen anders funktionieren als Computer, geschieht oft das Gegenteil. Im Arbeits- und Projektalltag ist Multitasking keineswegs erstrebenswert oder positiv. Das Hin- und Herwechseln zwischen verschiedenen Aufgaben verursacht Fehler, die im Nachhinein wieder korrigiert werden müssen. Das ständige Unterbrechen einer Aufgabe schadet der Konzentration. Stark eingebundene Chefs wissen oft nicht mehr, worauf sie sich zuerst konzentrieren sollen. Ihrer eigentlichen Aufgabe widmen sie sich kaum oder gar nicht. Wichtige Entscheidungen verzögern sich. Bleibt die Strategie wegen Überlastung auf der Strecke, sind schnell auch andere Bereiche im Unternehmen betroffen, oftmals ist sogar der wirtschaftliche Erfolg in Gefahr.
Claudia Simon und Uwe Techt
“"Nur an einem Engpass bringt eingesparte Zeit tatsächlich einen Nutzen"„
Claudia Simon und Uwe Techt
Geschäftsführung Vistem
Mit Multitasking werden die knappen Ressourcen nicht effizienter eingesetzt und Projekte nicht schneller verwirklicht. Ganz im Gegenteil – im schlechtesten Fall bleibt alles Stückwerk. Mit folgenden Schritten gelingt es, dem schädlichen Multitasking zu entkommen.

Fokus im Management

Es gilt, Prioritäten zu setzen: Die Konzentration muss auf den richtigen und wichtigen Dingen liegen. Den Fokus im Management zu finden, ist keine Hexerei, sondern folgt klaren Gesetzmässigkeiten, die sich aus der Beantwortung folgender drei Fragen ergeben:
  1. Wie kann der Normalbetrieb des Unternehmens unabhängig vom Eingreifen des Inhabers, Geschäftsführers oder Managers lukrativ laufen?
  2. Wie kann das Management ein Steuerungssystem auf­bauen, das sich an gemeinsamen Zielen orientiert und so Zielkonflikte eliminiert?
  3. Wie kann die Konzentration auf genau die Aktivitäten gelenkt werden, die das Unternehmen nachhaltig florieren lassen?

Auf die Engpässe kommt es an

Ein Engpass oder Stau an einer Stelle – beispielsweise im IT-Bereich – hat grosse Auswirkungen auf das komplette Unternehmen. Denn eine am Engpass verlorene Stunde ist für das ganze System verloren. Anderswo gesparte Zeit dagegen bringt ganzheitlich gesehen keinen konkreten Nutzen. Es kann sogar schädlich sein, an Stellen Abläufe zu ändern, wo kein Engpass besteht. Umso bedeutender ist es, den Fokus auf die wichtigsten Angelegenheiten zu lenken, diese als To-do zu markieren und im Umkehrschluss alle Not-to-dos hinten anzustellen oder ganz zu streichen. Die gewonnene Kapazität kann überdies verkauft werden, was ebenfalls der Durchsatzerhöhung und damit der Gewinnmaximierung dient.

Sich nicht in Details verlieren

Es ist ein Irrtum, dass Entscheider überall vor Ort sein müssen, alle Entscheidungen ihnen obliegen sollen und sie alle Projektbaustellen gleichzeitig betreuen müssen. Wer sich allem annimmt, fokussiert nichts. Gute Führungskräfte zeichnet aus, To-dos – also alles, was wirklich getan werden muss – genau zu erkennen. Dabei greift das Pareto-Prinzip nach dem bekannten italienischen Ingenieur und Ökonom Vilfredo Pareto. Die nach ihm benannte 80-zu-20-Regel besagt, dass 80 Prozent des Ergebnisses in 20 Prozent der Gesamtzeit eines Projekts erreicht werden. Die verbleibenden 20 Prozent der Ergebnisse beanspruchen im Umkehrschluss 80 Prozent der Gesamtzeit und damit die meiste Arbeit.
Oft ist das Verhältnis aber noch deutlicher. Die 80-zu-20-Regel gilt, solange zwischen den Systemelementen keine Abhängigkeiten bestehen. Sobald starke Abhängigkeiten existieren, verschiebt sich das Verhältnis im Extremfall auf bis zu 0,01 zu 99,99 Prozent.

Weniger aktive Projekte

Je mehr Projekte gleichzeitig aktiv sind, desto mehr sie um dieselben Ressourcen konkurrieren, desto mehr schädliches Multitasking entsteht. Um in der Vielzahl der Projekte nicht den Überblick und die Kontrolle zu verlieren, ist Fokussierung daher zwingend erforderlich. Dabei bedeutet Fokussierung nicht nur, die höchsten Prioritäten festzulegen, sondern auch zu entscheiden, welche Aufgaben gänzlich von der To-do-Liste gestrichen werden.
Setzt das Management in Absprache mit dem IT-Entscheider den richtigen Fokus und konzentriert sich auf die rich­tigen Massnahmen, stellen sich kontinuierliche, spür- und messbare Verbesserungen ein. Ebenso steigen Wohlbefinden und Motivation der Mitarbeiter und damit automatisch deren Leistungswille und -bereitschaft. In der Folge können angepeilte Ergebnisse schneller erreicht werden. Um in der Praxis Multitasking zu verringern, reduziert man die Anzahl aktiver Projekte in der Regel um etwa einen Viertel. Zu diesem Zweck werden einige weniger dringende Projekte auf Eis gelegt, bis andere abgeschlossen sind. Auf diese Weise werden mehr Projekte fertiggestellt – Erhöhungen im hohen zweistelligen Prozentbereich oder gar Vervielfachungen können auf diese Weise realistisch erzielt werden. Die Folge davon ist natürlich, dass mit der Zeit weniger Projekte pendent sind.

Fazit: konsequent fokussieren

Allein durch die konsequente Anwendung der Grundsätze "Tun, was getan werden muss" und vor allem eben auch "nicht tun, was nicht getan werden muss" wird eine positive Wirkung erzeugt. Unternehmen können mit Fokussierung statt Multitasking gerade im IT-Bereich viel mehr mit den gleichen Ressourcen leisten und dabei sehr viel schneller sein. Dabei sollte immer das ganze Unternehmen betrachtet werden und niemals nur ein Teilbereich. Absolute Priorität muss dabei eine Durchsatzsteigerung haben. Erst danach werden Massnahmen auf Bestände, Investitionen oder Kosten ausgerichtet. Aktivitäten, die nur eine kleine, gar keine oder vielleicht sogar schädliche Wirkung erzeugen, sind unter allen Umständen zu vermeiden.




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