AR und VR in der Bildung 25.07.2019, 23:33 Uhr

Mit der HoloLens im Unterricht

Mithilfe digitaler Technologien versuchen Fachleute in Forschung, Pädagogik und ICT, das Lernen zu verbessern. AR und VR bieten neue Ansätze. Welche, das zeigten Fachleute an der Frühjahrstagung der Schweize­rischen Stiftung für audiovisuelle Bildungsangebote in Bern.
Augmented und Virtual Reality eröffnen in der Aus- und Weiterbildung neue Möglichkeiten
(Quelle: Shutterstock/Alexey Boldin)
Augmented und Virtual Reality eröffnen im Bildungsbereich zahlreiche neue Möglichkeiten. Viel Hoffnung setzen Forscherinnen und Forscher auf Augmented oder Virtual Reality. Mittels Spezialbrillen können Informationen dargestellt und den Lernenden im vir­tuellen Raum vorgeführt werden. Wie sich die Technik im Bildungssektor nutzen lässt, zeigten Forschende vor rund 150 Gästen an der Frühjahrstagung der Schweizerischen Stiftung für audiovisuelle Bildungsangebote in Bern.

Proteine verstehen mit der HoloLens

Jan Hiss unterrichtet an der ETH Zürich computergestütztes Wirkstoffdesign im Bereich Pharmazeutische Wissenschaften. Hiss ist mit dem Problem konfrontiert, dass sich seine Studierenden die komplexen Strukturen von Pro­teinen kaum bildlich vorstellen können. Als Unterstützung greift er zu Microsofts AR-Brille HoloLens, die es den Trägern erlaubt, Hologramme in den Raum zu projizieren und mit ihnen zu interagieren. Auf diese Weise können die Studierenden Proteine von allen Seiten betrachten, sogar virtuell in sie hineingehen, die Veränderung ihrer Oberfläche oder ihre atomaren Strukturen studieren. Derartige Hilfsmittel werden an der ETH Zürich in verschiedenen Bereichen getestet und mitentwickelt. Für Hiss sollen sie aber nicht dazu dienen, Vorlesungen zu ersetzen. Mit der HoloLens könnten die Studierenden beispielsweise nach der Vorlesung das Gelernte vertiefen und ihre räumliche Vorstellung verbessern von pharmazeutisch interessanten Pro­teinstrukturen im Körper, den sogenannten Drug Targets.
Die Mixed Reality, wie sie mit der HoloLens erlebt werden kann, sei eine Brückentechnik, die in der Lehre ein­gesetzt werden kann, um beispielsweise Ängste zu nehmen oder um unsichtbare Dinge sichtbar zu machen. Studierende könnten so gewissermassen Kontakt mit den Forschungsobjekten herstellen. In Folge würden die Studierenden präziser arbeiten. Ein weiterer Effekt ist die aktive Auseinandersetzung mit dem Thema. Während sie in der Vorlesung Informationen passiv konsumieren, stehen die Studierenden und bewegen sich um und durch das Hologramm, entdecken Neues. Das rege auch die Fantasie und Neugierde an. Im Lehrbetrieb sei es entscheidend, Neugierde zu schaffen, weshalb die Mixed Reality eine aus­gesprochen geeignete Technologie dafür sei.

Gemeinsam in der Ferne studieren

Auch an der Fernfachhochschule Schweiz interessiert man sich für Virtual-Reality-Anwendungen. Durch E-Learning und Virtual Reality gewännen die Lernenden Flexibilität und die Institutionen könnten Geld sparen, erläuterte Ivan Moser, wissenschaftlicher Mitarbeiter des Instituts für Fernstudien und E-Learning-Forschung an der FFHS. Doch es gebe auch Nachteile. So bestehe etwa die Gefahr, dass sich Studierende sozial isolierten. Das sei der Grund, weshalb Fernstudiengänge, die nicht durch persönlichen Unterricht ergänzt werden, oft hohe Abbruchquoten hätten. Moser leitet das Projekt Virtual Reality and Learning Activities (VIRLA). Er testete mit 160 Studierenden und Dozierenden, wie gut Gruppenarbeiten mit persönlichem Kontakt, per Videokonferenz oder in einer VR-Umgebung funktionieren.
Die Ergebnisse wären überraschend gewesen: Die Diskussionen seien bei allen Varianten etwa gleich intensiv verlaufen. Beim Wissenszuwachs gab es keine Unterschiede und auch die Erinnerungsfähigkeit litt nicht durch den Einsatz von Virtual Reality. Trotzdem müsse man sich die Frage stellen, weshalb der grosse Aufwand zur Schaffung einer VR-Umgebung betrieben werden solle, wenn einfache Videokonferenzen das gleiche Resultat brächten, gab Moser zu bedenken. Derzeit gelte einfach fast überall der Grundsatz: Man will dabei sein, Möglichkeiten aus­testen und erst dann entscheiden, was man in die Praxis umsetzt, fasste Moser die Entwicklung zusammen. Aber Moser betonte auch, dass Virtual Reality das Potenzial biete, mehr als nur ein Hype zu sein.

Die Keynote im virtuellen Raum trainieren

In der Psychologie erforscht man die soziale Interaktion der Menschen mithilfe von Videoaufnahmen. Virtual Reality bietet dem Forschungsfeld nun aber ganz neue Möglichkeiten. Marianne Schmid Mast, Professorin an der Faculté des hautes études commerciales (HEC) an der Universität Lausanne, hat mit ihrem Team ein Trainingsprogramm für Jobinterviews entwickelt. Dabei sitzen Kandidatinnen und Kandidaten in der virtuellen Welt Avataren gegenüber und beantworten Fragen aus Bewerbungsgesprächen. Auch Referate können auf diese Weise eingeübt werden.
Noch ist die Interaktion mit den virtuellen Zuschauern zwar begrenzt, wenn der Referent oder die Referentin allerdings das Publikum langweilt, kann es passieren, dass Zuhörer den Saal verlassen. Mit dem System liessen sich künftig auch weitere Stresssituationen simulieren. Man müsse den Avataren bezüglich Sprechen, Emotionen, Augenkontakt, Gestik und Bewegungen noch sehr viel beibringen, räumt Schmid Mast ein. Dennoch würden sie von Probanden bereits als Repräsentation menschlicher Wesen wahrgenommen. Natürlich wüssten sie, dass die Situationen nicht real seien, dennoch könnten sie im Training Strategien entwickeln, um Stress zu reduzieren und sich auf den Diskurs zu konzentrieren. Anwendungsbeispiele sieht die Psychologin noch viele: So lernen angehende Ärztinnen und Pfleger bereits mit Virtual Reality, wie sie Patienten schlechte Diagnosen mitteilen können. In der Schule könnten VR- und AR-Brillen helfen, Dinge zu visualisieren, die im Schulzimmer nicht vorhanden sind. Auch in der Lehrerbildung sehen die Forscher Anwendungsmöglichkeiten: So könnten zum Beispiel schwierige Situationen wie ein Elternabend trainiert werden.

Pädagogische Hochschulen loten Chancen aus

Solche technischen Innovationen sind für den breiten Einsatz im Schulzimmer noch sehr teuer, waren sich die Tagungsteilnehmer einig. So kostet etwa eine HoloLens von Microsoft derzeit mehrere Tausend Franken und richtet sich in erster Linie an professionelle Nutzer etwa aus der Software-Entwicklung oder in Anwenderunternehmen – doch das wird sich voraussichtlich ändern und die Preise wie bei anderen technischen Neuheiten im Laufe der Zeit sinken. Pädagogische Hochschulen loten daher bereits die Möglichkeiten von AR und VR für das Lehren und Lernen sowie deren Effekte auf die Motivation aus.

Tagung erhält neue Trägerin

Mit dem Event beendet die Schweizerische Stiftung für audiovisuelle Bildungsangebote (SSAB) nach 26 Jahren ihre Arbeit und löst sich auf. An ihre Stelle tritt die Stiftung Kompetenzzentrum für Fernstudien, E-Learning und E-Collaboration (SKZ-CH). Sie wird als neue Trägerin am 12. März 2020 die nächste Tagung durchführen, unterstützt vom bishe­rigen SSAB-Netzwerk. Die SKZ-CH hat den Zweck, Fernstudien und den Einsatz neuer Lerntechnologien in Hochschulen sowie in der betrieblichen Weiterbildung zu fördern.
 




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