Internet der Dinge 04.07.2017, 08:34 Uhr

Nach dieser Strategie verlangt das IoT

Das Internet der Dinge stellt die IT vor ganz neue Herausforderungen. Matthias Schorer von VMware erläutert im Interview seine Sicht auf die Chancen und Probleme der neuen Technologie.
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Das Internet der Dinge (IoT) gilt als einer der vielversprechendsten Business-Treiber im Rahmen der digitalen Transformation. Auch Virtualisierungsmarktführer VMware engagiert sich nun auf diesem Feld.
Matthias Schorer, Lead Business Development Manager IoT bei VMware
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Matthias Schorer, Lead Business Development Manager IoT EMEA bei VMware, skizziert im Interview mit com! professional, wie er das IoT sieht und wie neue VMware-Produkte Unternehmen und ihren IT-Abteilungen das Management von IoT-Umgebungen erleichtern sollen.
com! professional: Alle Welt spricht jetzt vom Internet der Dinge (IoT). Es scheint eine superwichtige Sache zu sein, wenn man den Auguren glauben darf. Aber was ist eigentlich bei diesem Thema der „Dinge“ los draussen in der Welt der Unternehmens-IT? Welche Herausforderungen plagen die IT-Teams hier?
Matthias Schorer: Wir haben zum Beispiel Kunden aus dem produzierenden Gewerbe gefragt, warum sie am Internet der Dinge interessiert sind: „Was sind unter diesem Gesichtspunkt die Haupttreiber und was behindert euch dabei am meisten?“ Viele Kunden sagten uns, dass sie eigentlich schon immer zwei Arten der IT gehabt hätten – auf der einen Seite die klassische IT, auf der auch VMware zu Hause ist, und auf der anderen Seite haben sie eine besondere Form der IT in der Produktion oder auf einer Bohrinsel. Während die eine IT schon länger auf volle Auslastung, Management und Sicherheit der bestehenden Anlagen aus ist, weil sie die jeweiligen Aufgaben auf der Business-Seite unterstützt, gibt es bei den verschiedenen Formen von Produktion ebenfalls einen Einsatz von IT – die allerdings nicht so aussieht wie die IT, die wir kennen und die noch nicht so kontrolliert ist.
com! professional: Eine Art von „verbauter IT“?
Schorer: Ja, embedded IT. In der Regel will die auch keiner anfassen, weil diese Form von IT in den Maschinen, Robotern und sonstigen Anlagen verbaut ist. Schlussendlich sind es auch nur Computer, die hier verbaut sind und die hier ihre spezifischen Aufgaben wahrnehmen. Aber sie werkeln eigentlich selbstständig so vor sich hin – einmal installiert, ist man in der Regel davon ausgegangen, dass sich in den nächsten 20 Jahren nichts ändern wird.
com! professional: Warum so lange?
Schorer: Zum Beispiel sind Produktionsstrassen für Autos für viele Jahre ausgelegt, einschliesslich der installierten IT – weshalb sich auch niemand um das Management dieser IT kümmert.
com! professional: Aber um die Maschinen kümmern sich doch auch Fachleute.
Schorer: Ja, aber keine ITler. Sie befassen sich mehr mit der mechanischen Seite oder der Elektronik. Um eine programmierbare Steuerung innerhalb der Maschinen oder einen angeschlossenen Gateway-Computer kümmert sich eher niemand, weil man davon ausgeht, da ist Software drauf und die läuft.
com! professional: Das klingt eigentlich unglaublich – installierte IT-Komponenten und niemand betreut sie.
Schorer: Das ist leider die Realität. Es hat sich aber auch viel geändert: In vielen Unternehmen wird die Produktion für das Internet geöffnet oder sie wird mit den Backoffice-Systemen verbunden, was dann dazu geführt hat, dass die IT in diesen bisher nicht so beachteten Bereichen mehr in die Aufmerksamkeit rückt. Und das Management dieser verteilten IT-Komponenten erhält eine neue Priorität.
com! professional: Was genau heisst „Öffnung der Produktion für das Internet“?
Schorer: Nehmen Sie den Ansatz von Industrie 4.0, bei dem es ja darum geht, Produktionsstätten, Betriebe und Stand­orte miteinander zu vernetzen, Produktions- mit Backoffice-Systemen zu verbinden, um zum Beispiel Supply-Chain-Prozesse zu modernisieren. Man verbindet jetzt Systeme miteinander, die eigentlich nicht dafür entwickelt wurden. In der Regel hat man gesagt: „Hier ist meine Fabrik, und alles was darin läuft, bleibt abgeschottet gegen aussen.“ Erst seit Kurzem hat man eingesehen, dass man höhere Produktivität durch die Vernetzung ehemals getrennter Bereiche erzielen kann. Dabei spielt es keine Rolle, ob das über das Internet oder eine eigene Netzverbindung geschieht. Tatsache ist aber, dass immer mehr Unternehmen ihre Systeme für Aussenstehende öffnen. Doch damit entstehen grosse Sicherheitsprobleme, weil diese Systeme jetzt trotz Firewalls et cetera durchlässig sein müssen.
com! professional: Damit stellen sich neue Security-Anforderungen.
Schorer: Die IT-Abteilungen müssen nun auch die Aufgabe übernehmen, sich um die Sicherheit der Verbindungen von Maschine zu Maschine zu kümmern. Das machen sie von der IT-Seite aus. Und oft genug stellen sie fest, dass sie von den IT-nahen Implementationen bei den Maschinen keine oder keine grosse Ahnung haben. Es gibt eine Art Graben zwischen der IT, bei der alles strukturiert und standardisiert ist, und auf der anderen Seite existieren Informationssysteme, die man auch als Kraut und Rüben bezeichnen könnte.
com! professional: Es sind also drei Kräfte, die nach Änderung rufen: einmal die in der Produktion eingesetzte IT, dann die Verbindung mit Maschinen anderer Unternehmen und schliesslich die Anbindung ans Backend.
Schorer: Korrekt.
com! professional: Doch wie soll diese Neuorganisation aus­sehen?
Schorer: Es ist relativ einfach. Der allgemeine Tenor lautet: Die IT-Teams, die sowieso da sind, sollen sich dieser Dinge annehmen.
com! professional: Die IT soll also mehr machen.
Schorer: Sie muss mit der Unübersichtlichkeit der Situation zurechtkommen. Zum Beispiel sind die Schnittstellen mit dem IT-Netzwerk noch nicht standardisiert. Um Daten von den Maschinen über das Internet verschicken zu können, braucht man Gateways, die die Daten oder Protokolle umwandeln und anschliessend weitersenden. Das Problem dabei ist, dass die Gateways von ganz verschiedenen Herstellern kommen, zum Beispiel von Bosch, Siemens, Dell oder Eurotech, und alle verfügen über eine eigene Management-Software.
Wenn man als IT die neue Aufgabe bekommt, alles zu managen, was es an unterschiedlichen Systemen, Daten und Protokollen so gibt, dann wird man etwa fünf verschiedene Management-Konsolen einsetzen müssen. Bisher hat in vielen Unternehmen eine Management-Plattform mit VMware ausgereicht.
com! professional: Internet of Things bedeutet demnach also auch einen Kampf gegen die Heterogenität der Gerätelandschaft.
Schorer: Viele unserer Kunden beklagen diese Heterogenität – und wollen unsere Hilfe dabei, die Teams der klassischen IT und der operationellen Betreuung der Maschinen und Geräte in der Produktion zusammenzubringen.
Es geht auch darum, bei auftauchenden Problemen das gegenseitige Fingerpointing beider Gruppen zu vermeiden. Bei einem gemeinsamen Management-Tool, mit dem beide Teams arbeiten können, entfällt dann das Schuldzuschieben in der bisherigen Form.
com! professional: Der Hilferuf, von dem Sie gesprochen haben, kam also von den Kunden. Diese haben darauf insistiert, dass hier etwas geändert werden muss.
Schorer: Ja. Sie haben in der Regel ein Industrie-4.0-Projekt aufgesetzt und stellen fest, es funktioniert nicht. Aus den genannten Gründen. Und daraus entsteht ein Bedürfnis nach Unterstützung.

Das bietet VMware für das IoT

com! professional: Was hat VMware konkret zu bieten?
Schorer: Erstens: Wir verstehen das Problem der Kunden. Zweitens: Wir nehmen verschiedene Management-Komponenten, die sich im heutigen Rechenzentrum bewährt haben, zum Beispiel unsere Virtualisierungs-Plattform, mit der wir sehr viele Erfahrungen beim Thema Standardisierung gesammelt haben. Drittens transportieren wir solche Programme, Tools und Support-Erfahrungen vom Rechenzentrum zum Edge-Bereich. Edge ist für uns in diesem Zusammenhang der Endpunkt oder die „Front“ – da, wo die Maschine, der Roboter oder auch das Auto stehen. Diese Technologie muss dafür sorgen, dass der IT-Mitarbeiter versteht, was dort passiert. Gleichzeitig müssen die Leute, die für die Operations-IT zuständig sind, verstehen, was mit ihren Maschinen los ist.
com! professional: VMware ist hier also nicht als der grosse Virtualisierungsexperte zu sehen, sondern profiliert sich als Managementexperte.
Schorer: Unser Fokus ist definitiv das Management oder das Monitoring von Edge-Infrastrukturen. Einer der Gründe, warum es da noch keine Virtualisierung gibt, besteht darin, dass die draussen installierte Hardware nicht kräftig genug ist, um Virtualisierung zu unterstützen. Die in Gateways verbauten CPUs verfügen in der Regel nicht über Mehrkern-Systeme und sind meistens nicht sehr leistungsfähig, weil sie auf Low Power ausgelegt sind. Sie haben keine Lüftung oder andere Mechanismen, um eine stärkere Belastung zu erlauben. Von ihrer Ausrüstung her erinnern sie eher an ein Telefon. Aber schon bald werden neue Systeme auf den Markt kommen, die sehr wohl über Mehrkerne verfügen werden – Gateways mit CPUs in einer Acht- oder Zwölfkernarchitektur. Und dann wird es sinnvoll sein, Virtualisierung auf ihnen einzusetzen. Es lassen sich dann ohne Performance-Probleme mehrere Anwendungen oder mehrere virtuelle Maschinen auf ihnen implementieren. Ausserdem liessen sich mit virtuellen Gateways mehr Anwendungen nach aussen verbinden, so wie wir es bereits in den Rechenzentren getan haben. Man spart Hardware und Gewicht ein.
com! professional: Und das bedeutet dann?
Schorer: Wenn all diese Bedingungen gegeben sind, dann können wir auch Management mit vCenter einsetzen. Der Grossteil der Gateways wird aber nach wie vor nicht so leistungsfähig sein. Um diese aber auch managen zu können, hat VMware eine Lösung mit einem Agenten geschaffen – Liota genannt (Little IoT Agent). Mit diesem Agenten können wir von der Hardware abstrahieren. Egal ob es sich um einen ARM- oder einen Intel-Prozessor oder um ein beliebiges Betriebssystem handelt, der Agent sorgt für eine Abstraktion von diesen Faktoren, sodass auf der Management-Konsole alle Gateways in gleicher Weise erscheinen.
com! professional: Was genau ist unter Liota zu verstehen?
Schorer: VMware hat Liota mit der Hauptaufgabe entwickelt, CPU, Storage und weitere Komponenten der Gateways zu monitoren. Der Software-Agent erlaubt uns aber auch, alle anderen Daten, die von den Maschinen anfallen, aufzuzeichnen und zu übermitteln. Das Management und die Software-Updates für die Gateways führen wir mit einem AirWatch-Agenten durch, wobei das Produkt, Project Ice, für den User nicht sichtbar ist. Er bekommt nur eine neue Konsole und APIs.
com! professional: Ist Internet of Things von VMware primär für das produzierende Gewerbe gedacht?
Schorer: Nein. Internet of Things kommt für uns in der Produktion zur Geltung, aber auch im Krankenhaus, auf der Ölbohrinsel, im Auto – überall dort, wo maschinelle Komponenten zu monitoren sind und nicht spezifisch für eine bestimmte Industrie oder Branche. Von unseren Kunden her sehen wir aber einen Schwerpunkt in der Fabrikautomatisierung. Sehr interessant sind auch die Bereiche Energieversorgung und Healthcare. Gerade im Gesundheitswesen geht es um Tracking von Personen und Dingen. Krankenhäuser verlieren allein pro Jahr etwa 30 Prozent ihrer medizinischen Geräte. Und in der Automobilindustrie spielen Themen wie Connected Cars und Software-Updates eine immer grössere Rolle.
com! professional:  Sie haben also konkrete Probleme und Fragestellungen vor Augen, wenn Sie von IoT sprechen. Damit unterscheidet sich VMware etwas von den sehr allgemeinen Aussagen, die heute über IoT in der IT-Branche so üblich sind – vom sich selbst nachfüllenden Kühlschrank bis zu Millionen Privatdrohnen, die bald über uns herumschwirren werden…
Schorer: Wir managen alles, was da draussen so herumschwirrt, und monitoren es auch. Was wir nicht machen, ist das, was wir als Content Layer bezeichnen. Da geht es um Big-Data-Analysen oder um Apps, die mit den Daten gebaut werden. Wir sind bei IoT ganz klar der Transportweg für In­frastruktur- und Monitoring-Daten. Unsere Kunden entscheiden dann, was sie mit den Daten machen wollen oder übergeben diesen Part an andere Dienstleister. Von unserer Seite gibt es den Management-Stack von Project Ice, der Kunde kann das Ganze aber auch als Hyperconverged-Lösung bekommen und zum Beispiel in der Fabrik installieren, wenn er kein eigenes Rechenzentrum hat. Und er kann zusätzlich eine Big-Data-Lösung seiner Wahl erwerben. Wir liefern ihm dann ein entsprechendes Bundle, und er kann sehr schnell einen IoT-Business-Case implementieren.




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