Google versus EU: Neuer Druck aus Brüssel

Google sollte EU-Untersuchung ernst nehmen

Doch die Argumentation von Singhal geht am Kern der Vorwürfe vorbei: Nicht Googles Grösse nimmt die EU hier als Grund zum Vorwurf, sondern den Einsatz seiner Marktmacht, um eigene Angebote zu pushen. Dies gilt auch und vor allem für das Handy-Betriebssystem Android. Hier ist ebenfalls weniger der enorme Marktanteil von über 70 Prozent das Problem, sondern die zunehmende Integration eigener Dienste. Google wird seitens der EU-Kommission vorgeworfen, den Handyherstellern scharfe Vorgaben zu machen, mit welchen Apps sie ihre Geräte ausliefern müssen.
Welche Folgen das konkret haben kann, merkten Millionen Nutzer beim Wechsel von der Betriebssystem-Version 4 auf die Version 5, besser bekannt als Kitkat: Um ein Android-Handy sinnvoll nutzen zu ­können, wird ein Gmail-Konto von Google benötigt. Dafür war auch bisher schon ein Gmail-Client vorinstalliert - und ein ­anderer Mail-Client, mit dem der Nutzer seine sonstigen Postfächer verwalten konnte. Wer wollte, konnte bislang also die Nutzung von Gmail auf die Fälle beschränken, die tatsächlich mit dem Smartphone zu tun hatten, etwa den Kauf einer App. Das wird seit Kitkat schwerer: Google hat nämlich beide Mail-Clients zu einem zusammengefasst - wer Gmail nicht nutzen möchte, hat es dennoch immer im Blick. Auch der persönliche Assistent Google Now, ein wichtiger Baustein in Googles Wearable-Strategie, liefert derzeit fast ausschliesslich Google-Inhalte aus.
Wie es anders gehen kann, zeigt Apple: Beim Marktstart im April gab es für die Apple Watch bereits über 1.000 Apps, entwickelt von Unternehmen rund um den Erdball. Auch wenn Google angesichts der EU-Untersuchungen nach aussen Gelassenheit demonstriert - auf die ­leichte Schulter dürfte man diese nicht nehmen, vermutet Michael Carrier, Jura-Professor an der Rutgers School of Law in New Jersey in ­einem Interview mit dem "Wall Street Journal": "Sehr viele Länder beobachten Google genau, weil das Unternehmen so gross und erfolgreich ist. Mit dem Erfolg kommt der prüfende Blick."
Für den Internet-Unternehmer Ibrahim Evsan, der unter anderem mit dem Video-Portal Sevenload einen Versuch startete, eine Konkurrenz zu Youtube aufzubauen, hat das Quasi-Monopol von Google auch seine guten Seiten: "Wenn es Google nicht gäbe, wäre Suchmaschinenoptimierung viel aufwendiger, weil man auf jede Suchmaschine anders optimieren müsste. Das Google-Monopol macht SEOs die Arbeit leichter." Für Evsan ist die Dominanz der US-Konzerne im Netz die Folge verfehlter EU-Politik.
Journalistik-Professor Jeff Jarvis, der in Deutschland mit seinem Buch "Was ­würde Google tun" bekannt wurde, beklagt hingegen europäischen Protektionismus. Dem österreichischen Nachrichtenmagazin "Profil" sagte er: "Das höre ich in ­Europa ständig: Google ist zu gross. Aber was heisst das? Und wer hat Google grossgemacht? Die Europäer!"
Jarvis vermutet in den EU-Untersuchungen ein Einknicken der Kommission vor den Interessen deutscher Medienunternehmen, allen voran Axel Springer. Das grösste Medienhaus Europas wird nicht müde, von Google eine Kompensation für die Inhalte zu fordern, auf denen die Relevanz der Suchmaschine aufbaut.
Durch massive Lobbyarbeit war es Springer gelungen, 2013 das Leistungsschutzrecht durchzusetzen. Damit war zumindest im Prinzip festgeschrieben, dass Content-Anbieter einen Anspruch auf Vergütung ihrer Inhalte haben, wenn Aggregatoren wie Google sie nutzen.
Um dieses Ziel zu erreichen, haben bereits mehrere deutsche Verlage Beschwerde beim Bundeskartellamt eingereicht und verlangen Geld für Inhalte, die Google verwendet.




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