«Für die IT ist BIM lediglich eine Evolution»

Informatik wird auf der Baustelle wichtiger

CW: Rechnen Sie damit, dass durch die digitalen Technologien auch die Informatik bei HRS firmenintern an Bedeutung gewinnt?
Hartmann: Wie schon erwähnt, verstehe ich die Informatik in erster Linie als einen Service Provider für unser Business. Entsprechend hat sie schon jetzt eine grosse Bedeutung. Mit Entwicklungen wie BIM wird die Informatik auch auf der Baustelle zweifellos noch wichtiger. In Zukunft sehe ich nicht nur die IT, sondern – auch durch BIM – Predictive Analytics an Bedeutung gewinnen.
CW: Durch Ihre berufliche Historie haben Sie sicher eini­ge Erfahrungen in Analytik. Setzen Sie diese Erfahrungen heute bereits ein?
Hartmann: [Schmunzelt] Ja, wir arbeiten daran. Schon heute fallen auf den Baustellen massenweise Daten an. Wenn wir Projekte in Zukunft mit BIM realisieren, potenziert sich die Informationsmenge noch. Dann bietet es sich natürlich an, diese Daten für eine optimierte und vorausschauende Planung zu nutzen. Wenn zum Beispiel eine Wahl getroffen werden muss zwischen zwei möglichen Arbeitsprozessen, lässt sich anhand der historischen Informationen mit analytischen Methoden ermitteln, welches Vorgehen effizienter und kostengünstiger ist.
In einer früheren Anstellung war Thomas Hartmann bei Johnson & Johnson mitverantwortlich für europaweite BI-Projekte
Quelle: Samuel Trümpy
CW: Hier schliesst sich der Kreis zum gerade aktuellen ECM-Projekt. In Zukunft dürfte die zentrale Daten­ablage Vorteile bringen bei der Analytik.
Hartmann: Richtig. Es geht einerseits um die zentrale Datenablage für den einfacheren Zugriff, andererseits aber auch um die Nutzung für die Analytik. Aus meiner Perspektive ist es aber keine spezielle He­rausforderung der Baubranche zu versuchen, einen Mehrwert aus «Big Data» zu generieren. Vor dieser Herausforderung stehen vielmehr alle Branchen. Wir im Bauwesen können Entscheidungen erleichtern und Prozesse optimieren. Der Handel kann das Konsumentenverhalten analysieren und die Industrie den Verschleiss von Maschinenteilen vorhersagen. Die Nutzungsszenarien sind vielfältig, der Einsatz aber streng genommen ein Muss.
CW: Wie weit ist das ECM-Projekt?
Hartmann: Wir sind in der Pilotphase. Das ECM ist das eine, für die Analytik benötigen wir aber ein Data Warehouse, in das wir sämtliche Umsysteme einbinden. Hier entwickelt sich die Rolle der IT vom reinen Infrastrukturlieferanten weiter zum Innovator für das Business. Allerdings müssen die Anforderungen zwingend aus dem Fachbereich kommen. Schliesslich sind wir keine IT-Firma, sondern wir verdienen unser Geld in der Baubranche.
CW: Welche Rolle spielen Augmented und Virtual Reality auf Schweizer Baustellen?
Hartmann: Die Verbreitung von AR- und VR-Brillen auf Schweizer Baustellen spielt aktuell eher noch eine kleine Rolle. Virtuelle 3D-Modelle und spektakuläre Animationen sind heute jedoch schon durchaus verbreitet. Sie sind allerdings ja nicht die eigentliche Essenz von BIM. Aus meiner Sicht definiert sich BIM über integrierte Arbeits­prozesse, die durch Software und Cloud-Anwendungen unterstützt werden. Informationen werden in einem zen­tralen Datenmodell gespeichert. Dafür benötigen wir eine leistungsfähige und zuverlässige Infrastruktur.
“3D-Modelle und Animationen sind nicht die eigentliche Essenz von BIM„
Thomas Hartmann
CW: Wo sehen Sie die grössten Herausforderungen bei BIM – allenfalls auch jenseits der IT?
Hartmann: BIM erstreckt sich über den gesamten Lebenszyklus eines Bauwerks – von der Entwicklung über die Planung und Realisierung bis zum Betrieb und den möglichen späteren Rückbau des Gebäudes. In den Projekten genügt es nicht, wenn nur der Projektentwickler oder Totalunternehmer BIM beherrscht. Vielmehr müssen alle mitziehen – vom Architekten über den Elektroplaner, dem Sanitär­planer bis hin zum Tiefbau. Alle benötigen die Anwendungen, die Kompetenz und die Leute. Besonders für kleinere Betriebe bedeutet BIM einen massiven Aufwand – finanziell und personell. Diese Investitionen können – verständlicherweise – aktuell nicht alle Firmen tätigen.
Zur Firma
HRS Real Estate AG
wurde 1962 von Ernst Hauser und Milo Rutishauser in Frauenfeld gegründet. Acht Jahre später schloss sich Alfred Suter den beiden Ingenieuren an. Fortan firmierte der Betrieb als HRS Hauser Rutishauser Suter AG, seit 2009 nur noch als HRS Real Estate AG. Heute sind Martin Kull und Rebecca Zuber die Inhaber. HRS beschäftigt an 14 Standorten in der Schweiz und Liechtenstein rund 420 Mitarbeiter. Die Firma erwirtschaftete 2016 einen Umsatz von über 1,1 Milliarden Franken.




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