Dynamic Pricing, Online-Check-in, Electronic Flight Bag und mehr 25.01.2018, 10:40 Uhr

Die Digitalisierung verändert die Luftfahrt

Auch Flughäfen und Airlines müssen sich den Herausforderungen der digitalen Transformation stellen. com! professional zeigt, wie die Digitalisierung die Luftfahrt vorantreibt.
(Quelle: William Potter / shutterstock.com)
Die Luftfahrt hat sich dramatisch gewandelt: Einst ein seltenes und kostspieliges Vergnügen in lauten Propellermaschinen, zu dem man bevorzugt Sonntagskleidung trug, fliegen Passagiere heute zu Spottpreisen in modernen Hightech-Jets leger um den Globus.
Die Triebwerke und Sensoren, mit denen die Maschinen ausgestattet sind, erzeugen auf jedem Flug etliche Gigabyte Daten. Doch nicht nur die Flugzeuge werden immer mehr zu fliegenden Computern – die aktuelle Digitalisierungswelle verändert den Luftverkehr auf allen Ebenen. Noch hinkt die Branche in Sachen digitale Revolution allerdings vielen anderen hinterher, so das Ergebnis einer Erhebung des Digitalverbands Bitkom: 2016 gab fast ein Drittel der befragten Luftfahrt-Unternehmen in Deutschland an, in ihrem Unternehmen gebe es noch keine Digitalstrategie. 38 Prozent sahen für das Jahr 2030 die deutsche Luftfahrtbranche im internationalen Vergleich gerade mal im Mittelfeld. Dabei hielten fast alle Unternehmen (95 Prozent) die Digitalisierung für eine Chance.
Quelle: Bitkom
Die Digitalisierung ermöglicht Luftfahrtunternehmen nicht nur komplett neue Geschäftsmodelle, sondern hat zum Beispiel auch Auswirkungen auf die Wartung von Flugzeugen – Stichwort Predictive Maintenance mit Hilfe von Künstlicher Intelligenz.

Stand der Dinge

Dass der Luftverkehr bei der Digitalisierung noch im Hintertreffen ist, hat nach Ansicht von Alexander Horstmann, Director Digital der Thomas Cook Group Airlines, zu der auch der deutsche Ferienflieger Condor gehört, eine ganze Reihe von Gründen – „je analoger die Branche ist, desto langsamer ist der Übergang zur Digitalisierung“.
Erst wenn eine kritische Masse von Kunden „digital unterwegs“ sei, würden Unternehmen über eine Investition in diesem Bereich nachdenken. Hinzu kommt laut Horstmann, dass „Airlines sich in Bezug auf die Digitalisierung hauptsächlich darauf konzentriert haben, das anzubieten, was die Wettbewerber ihren Kunden bieten, anstatt branchenübergreifend zu beobachten, was sich im digitalen Feld so alles tut“.
Electronic Flight Bag (EFB): Nicht nur die Pilotinnen und Piloten des Ferienfliegers Condor greifen auf alle flugrelevanten Informationen über ein Tablet zu.
Quelle: Condor Flugdienst GmbH
Um wettbewerbsfähig zu bleiben, müsse ein Kernprodukt durch effiziente und nützliche digitale Produkte ergänzt werden. Durch die weltweite Digitalisierung und die zunehmende Vereinfachung von Prozessen sollten auch Airlines sich diesem Wandel anpassen und digitaler werden. Die Kunden erwarteten „in der digitalisierten und vernetzten Welt mehr als eine einfache Beförderungsleistung von A nach B“.
Nimmt man die Luftverkehrsbranche näher in den Blick, dann fällt auf, dass auch sie eigentlich schon ziemlich „digital unterwegs“ ist: Moderne Techniken wie Dynamic Pricing, also das dynamische Anpassen von Ticket-Preisen, sind schon seit Langem Usus. Die IT der Airlines passt die Preise für Tickets zum Beispiel an bestimmte Tageszeiten und Wochentage an und berücksichtigt dabei die üblichen Stornoquoten sowie die aktuellen Preise der Mitbewerber. Auch Ferien- und Messezeiten fliessen ins Dynamic Pricing ein. Algorithmen berechnen aus einer Vielzahl von Faktoren die im Moment der Preisabfrage maximal erzielbaren Preise. So kann es dann auch passieren, dass zwei Preisabfragen binnen weniger Minuten oder das Verschieben des Abflugtermins um einen Tag zu völlig unterschiedlichen Ergebnissen führen.
Der Online-Check-in für den Flug, also das selbstständige Erstellen der Bordkarte per Webseite oder App, ist ebenfalls inzwischen Standard. So manche Billig-Airline verlangt von Kunden, die nicht online, sondern am Flughafen einchecken, satte 50 Euro Gebühr – auch eine Möglichkeit für ein neues Geschäftsmodell im Rahmen der Digitalisierung.
Bereits 1994 führte die US-amerikanische Fluglinie United Airlines als erste Fluggesellschaft das elektronische Ticket ein. Eine Buchungsnummer sowie die Passagierdaten sind in einer Datenbank hinterlegt und ersetzen das Papierticket. Bei den Fluggesellschaften der Vereinigung IATA (International Air Transport Association), zu der quasi alle relevanten Airlines weltweit gehören, hat das Papierticket seit 2008 ausgedient.
Auch der bekannte schwarze Pilotenkoffer, voll mit Handbüchern, Checklisten und Navigationskarten, ist in den meisten Cockpits Vergangenheit. An seiner Stelle hält das sogenannte Electronic Flight Bag, kurz EFB, alle für den Flug notwendigen Informationen digital vor. Dabei handelt es sich meist um ein speziell für den Flugbetrieb entwickeltes Ta­blet. Das macht der Besatzung nicht nur im wahrsten Sinn des Wortes die Arbeit leichter, sondern hat noch einen weiteren Effekt: Die elek­tronische Variante des Pilotenkoffers spart zum Beispiel auf den Condor-Flügen von Frankfurt nach Las Vegas mit einer Boeing 767 rund zwei Tonnen Treibstoff im Jahr.

Internet an Bord

Internet in 10.000 Metern Höhe: Dafür nimmt eine Antenne am Rumpf des Flugzeugs Kontakt mit geostationären Satel­liten auf.
Quelle: Deutsche Lufthansa
Noch Zukunftsmusik ist bei vielen Fluggesellschaften das weltweit verfügbare Internet an Bord der Maschinen. Das zeigt, dass viele Airlines die immense Bedeutung des Onboard-Internets als Treiber der Digitalisierung, als Instrument der Kundenbindung und als Einnahmequelle noch nicht verstanden haben. Die Studie „Spread your wings“ der Unternehmensberatung Roland Berger vom Mai letzten Jahres kam nicht nur zu dem Ergebnis, dass Internet in Flugzeugen schon heute ein wichtiges Kriterium bei der Wahl eines Fluges ist, sondern auch dazu, dass zwei Drittel der Befragten bereit sind, dafür zu zahlen.
Derzeit gibt es beim Onboard-Internet noch grosse Unterschiede zwischen den Airlines – die Preise schwanken zwischen kostenlosem Internet auf Europaflügen, 9 Euro pro Stunde und 17 Euro für einen gesamten Langstreckenflug oder kostenlosen 20 MByte und 10 Dollar für weitere 150 MByte. Auf lange Sicht dürfte das Internet an Bord aber nicht mehr mit Extra-Kosten verbunden sein. Zumindest gehen 96 Prozent der deutschen Luftfahrtunternehmen davon aus, dass es 2030 flächendeckend kostenlosen Internetzugang an Bord der Maschinen geben wird.
Auf Langstreckenflügen werden Satelliten für das Onboard-Internet genutzt. Die Airlines greifen auf geostationäre Satelliten zu, die in 36.000 Kilometern Höhe entlang des Äquators über der Erde kreisen. Eine Antenne am Rumpf der Flugzeuge baut eine Verbindung zu einem nahegelegenen Satelliten auf, der seinerseits die Verbindung zwischen Flugzeug und Bodenstation herstellt.

Big Data am Airport

Wenn man an Flughäfen denkt, dann kommen einem zuerst eher analoge Dinge in den Sinn: Koffer verladen, Sicherheitskontrollen oder Shopping-Gelegenheiten. Doch auch für die Flughäfen ist Digitalisierung ein wichtiges Thema, weil das Verhalten der Passagiere im Lauf der Jahre digitaler geworden ist. Das ist etwa die Erfahrung von Alexander Laukenmann, Geschäftsführer des Flughafens Hamburg: „Rund 80 Prozent unserer Fluggäste nutzen ein mobiles Endgerät direkt am Flughafen.“
Big Data am Flughafen Frankfurt: Drohende Warteschlangen an der Sicherheitskontrolle werden im Vorfeld erkannt.
Quelle: Fraport
Laukenmann betont: „Das Hauptziel des Hamburger Flughafens ist es, dem Passagier während der gesamten Kunden-Reisekette Informationen digital zur Verfügung zu stellen.“ Gerade die Flughafenwelt mit ihren vielen Dienstleistern und Zuständigkeiten sei sehr komplex – „Passagiere erwarten aber auf ihrem Weg von der Buchung über die Mietwagen-Reservierung bis hin zum Boarding einen reibungslosen Ablauf – und dazu gehört auch ein entsprechender Austausch aller Teilnehmer entlang dieser Kunden-Reisekette.“
Die Zentralisierung und Auswertung der vorhandenen Daten für eine schnelle und passende Informationsversorgung des Passagiers ist in der IT-Abteilung des Flughafens Hamburg deshalb in den kommenden Monaten ein wichtiges Thema.
Im nächsten Schritt stehe dann der Datenaustausch mit Partnern an und damit eine bessere Vernetzung der Reisekette des Passagiers: „Das betrifft den Flugbetrieb genauso wie die Gepäckprozesse oder die Wegeführung im Terminal“, so Laukenmann. Zudem stünden innovative Ideen wie ein von mehreren Airlines genutzter Gepäckaufbewahrungs-Automat (Self-Bag-Drop-System) im Fokus: „Der Kunde muss nicht mehr nach dem Counter seiner Airline suchen, sondern wählt die Airline an einem zentralen Automaten.“ Auch die Themen Chat­bots und Apps seien aktuell. Dabei gehe es um eine kundennahe, schnelle Information speziell für mobile Geräte.
Dass das Flughafen-Business in Richtung Digitalisierung bereits einiges tut, bekräftigt auch Thomas Schnalke, Sprecher der Geschäftsführung des Flughafens Düsseldorf: „Das gilt vor allem für das Back-End, von dem der Passagier in der Regel wenig wahrnimmt. Koffer werden über vollautomatische Gepäckförderanlagen mit hochmodernen Scannern transportiert, der Luftraum wird dank immer besserer Systeme immer effizienter genutzt und leistungsfähige Datenbanken organisieren die oftmals komplexen Prozesse rund um die Reise.“
Der Flughafen Frankfurt beschäftigt sich ebenfalls intensiv mit der Digitalisierung und ist nach eigenen Angaben weltweit führend im Big-Data-Bereich der Business Intelligence. „Wir benutzen Business Intelligence, um die Prozesse der Sicherheitskontrolle mit sogenannter Predictive Analysis zu optimieren. Dabei geht es uns darum, mit Steuerung der Passagierwege, Optimierung der Andockposition der Flieger und Einsatzplanung der Beschäftigten die Wartezeiten zu verkürzen“, so Roland Krieg, IT-Chef des Frankfurter Flughafenbetreibers Fraport. Wenn der Flughafen erst reagiere, wenn sich zum Beispiel bei der Sicherheitskontrolle bereits Schlangen gebildet haben, sei es zu spät. Auch kämen die Daten der Airlines über die zu erwartenden Passagiere für eine gute Vorausplanung zu spät. „Daher analysieren wir täglich neu die vergangenen Tage und nutzen die daraus entstehen­den Voraussagen für die Zukunft. Zusammen mit dem aktuellen Flugplan und den Simula­tions­methoden sagen wir in Minutenintervallen die Entwicklung von Warteschlangen vo­raus. So kann unsere Leitstelle Gegenmassnahmen im System simulieren und dann operativ umsetzen“, erklärt Krieg.
Dr. Roland Krieg
“„Mit Simulations­methoden sagen wir in Minutenintervallen die Entwicklung von Warteschlangen voraus.“„
Dr. Roland Krieg
IT-Chef des Frankfurter Flughafenbetreibers Fraport
Das Internet der Dinge spielt mittlerweile ebenfalls an vielen Flughäfen eine Rolle. So ist der Flughafen Frankfurt gerade dabei, die Anhänger der Gepäckwagen, mit denen die Koffer auf dem Rollfeld transportiert werden, für eine bessere Lokalisierung mit Transpondern auszurüsten. Das vereinfacht laut IT-Chef Krieg die Disposition und spart Kosten.
Die voranschreitende Digitalisierung kann für die Flughäfen aber auch Nachteile mit sich bringen. Die Berater von Roland Berger kommen in der Studie „Rise to the challenge – The risks and opportunities of digitization for airports“ zu dem Schluss, dass neue Marktteilnehmer und Angebote den Flughäfen zunehmend zusetzen und sie um Milliarden­umsätze bringen. Als Beispiel nennt die Studie etwa Carsharing-Angebote oder externe Parkplatz­anbieter in Flughafennähe. Denn heute stammen immerhin rund 20 Prozent der nicht luftfahrtgebundenen Einnahmen der Flughäfen aus dem Geschäft mit Parkplätzen.
Auch das Online-Shopping macht den Airports zu schaffen. Der Flughafen Frankfurt hat darauf bereits reagiert und eine eigene Shopping-Plattform mit mehr als 20.000 Artikeln aufgebaut. Sie bietet den Kunden eine Vorbestellung mit Abholung am Flughafen an und liefert auch nach Hause.
Einen ähnlichen Weg geht man in Hamburg: Dort sieht man laut Airport-Chef Alexander Laukenmann die Digitalisierung in erster Linie als Chance, indem man seine Fluggäste und ihre Wünsche noch besser kennenlernt. Zugleich könne man direkter und schneller mit Gästen und Kunden in Kontakt treten und benötigte Informationen zur Verfügung stellen. Im Non-Aviation-Bereich habe man neben eigenen digitalen Lösungen wie einer Online-Parkplatzreservierung auch im Retail-Segment renommierte Partner, die sehr gute Online-Shopping-Möglichkeiten mit Home Delivery anbieten.

KI in der Wartung

Existenziell für einen sichereren und pünktlichen Flugbetrieb ist die Wartung der Flugzeuge. Wenn eine Maschine ausfällt, dann kostet das die Airline nicht nur eine Menge Geld, etwa durch Reparaturverluste oder durch Entschädigungszahlungen an die Passagiere, es droht auch ein Imageverlust. Nichts ist für die Kunden ärgerlicher als ein verspäteter oder gar gecancelter Flug.
Es gibt nur wenig technisches Gerät, das so komplex und umfangreich zu warten ist wie ein Flugzeug. Es besteht aus Millionen von Einzelteilen und die Wartung hat strikten gesetzlichen Vorgaben zu folgen. Daher ist die Instandhaltung der Maschinen sehr kostenintensiv. Fluggellschaften arbeiten folglich stets an der Optimierung ihrer Technik-Sparte.
Alexander Laukenmann
“„Das Hauptziel des Hamburger Flughafens ist es, dem Passagier während der gesamten Kunden-Reisekette Informationen digital zur Verfügung zu stellen.“„
Alexander Laukenmann
Geschäftsführer des
Flughafens Hamburg
Die südkoreanische Korean Air setzt bei der Wartung ihrer Flugzeuge bereits auf Künstliche Intelligenz, genauer gesagt auf IBM Watson. Dabei handelt es sich wahrscheinlich um das derzeit am weitesten entwickelte intelligente Computerprogramm weltweit. Das nach dem IBM-Gründer Thomas J. Watson benannte Programm ist ein fast schon menschlich kommunizierendes kognitives System, das nicht nur enorm viel weiss, sondern auch ständig hinzulernt.
Korean Air hat über Jahre hinweg Wartungsberichte von Hunderten von Flugzeugen gesammelt. Dieser Datenschatz dokumentiert die Fehler und Lösungswege für viele Probleme – doch ein Durchforsten der Daten nach einem bestimmten Ereignis würde der Suche nach der Nadel im Heuhaufen gleichen. Um die Daten zugänglich zu machen, erfasst Watson die strukturierten und unstrukturierten Daten der Fluggesellschaft aus den unterschiedlichsten Quellen wie technische Richtlinien, Logbücher, Notizen von Technikern oder Aufzeichnungen von Vorkommnissen während der Flüge. Die Künstliche Intelligenz erkennt dabei Zusammenhänge, die den Wartungsteams helfen, Probleme schneller zu identifizieren und zu lösen. Anstatt stundenlang nach der möglichen Ursache für ein Problem zu suchen, befragen die rund 2000 Techniker Watson und erhalten die Lösung in vielen Fällen nahezu in Echtzeit. Seit dem Einsatz von IBM Watson bei rund 200.000 Wartungsfällen sollen die Zeiten für die Fehlersuche bei der Behebung von Defekten um 90 Prozent gesunken sein.

Ausblick für die digitalisierte Luftfahrt

Wie verändert die Digitalisierung nun das Abfliegen und Ankommen und den Aufenthalt am Flughafen für die Passagiere? Nach Ansicht von Alexander Laukenmann vom Flughafen Hamburg zeigen smarte Lösungen wie eine automatisierte Gepäckaufgabe oder das Easy-Pass-System bei der Einreise aus einem Nicht-Schengen-Land bereits heute, wie auch bei steigenden Passagierzahlen die vorhandene Infrastruktur intelligent sowie zeit- und platzsparend genutzt werden könne.
Laut Fraport-IT-Chef Roland Krieg wird sich „das eigent­liche Abfliegen technisch nicht ändern, aber alles drumhe­rum“. Die digitalen Services der Zukunft könnten entlang der gesamten Reisekette ein bequemes Angebot für den Passagier offerieren. Das fange beim Buchen an, gehe über die Anfahrt mit Bahn oder Auto, das Parken und den Check-in bis hin zur Navigation und sicheren Führung im Terminal zum Gate. Alles sei in einer Plattform, zum Beispiel einer App, integriert.
Alexander Horstmann
“„Airlines haben sich in Bezug auf die Digitalisierung hauptsächlich daraufkonzentriert, das anzubieten, was die Wettbewerber ihren Kunden bieten.“„
Alexander Horstmann
Director Digital der Thomas Cook Group Airlines
Das Kundenerlebnis werde sich in Zukunft deutlich verbessern, ist sich auch Alexander Horstmann von Thomas Cook sicher, und „sich vor allem für den Kunden stressfreier gestalten“. Der Kunde würde künftig noch mehr individuell angepasste und personalisierte Dienstleistungen und Unterstützungen erhalten. Während des Fluges sollen neue Techniken und Big Data eine effizientere Arbeit des Kabinenpersonals ermöglichen – „der Kunde erhält eine individuelle Betreuung an Bord, die auf seine Bedürfnisse zugeschnitten ist. Ermöglicht wird dies zum Beispiel durch individuelle Speisen- und Getränkebestellungen, die Kunden über ihre eigenen mobilen Endgeräte vornehmen können.“ Hinzu kommt zum Beispiel auch die Möglichkeit, aus einem breiten und vielfältigen Sortiment Produkte sowie Urlaubspakete am Zielort bereits während des Fluges zu erwerben.
Laut Thomas Schnalke vom Düsseldorfer Flughafen wird sich in zehn Jahren die digitale Konnektivität auf alle Bereiche der Customer Journey ausgeweitet haben, „leistungsfähiges WLAN am Boden und in der Luft gehört zum Standard. Ausgereifte Online-Angebote und Apps geben dem Begriff ,Seamless Travel‘ eine ganz neue Bedeutung.“
Speziell zugeschnittene Services seien dank Big Data noch enger mit der Reise verknüpft und als Service-Dienstleister könnten die Flughäfen noch flexibler als heute schon möglich auf spontane Änderungen der Reiseplanung ihrer Kunden reagieren.

Luftfahrt-Experten im Interview

Marc Bachman, Bereichsleiter Luftfahrt und Verteidigung beim Digitalverband Bitkom
Quelle: Bitkom
Marc Bachman ist Bereichsleiter Luftfahrt und Verteidigung beim Digitalverband Bitkom. Mit com! professional spricht er über die Veränderungen in der Luftfahrt aufgrund der Digitalisierung.
com! professional: Herr Bachmann, Lufthansa-Chef Carsten Spohr hatte 2017 zum „Jahr der Digitalisierung“ ausgerufen. Warum ist die Digitalisierung für Fluggesellschaften so wichtig?
Marc Bachmann: Die Digitalisierung führt in der deutschen Luftfahrt zu grundlegenden Veränderungen der Marktbedingungen: Geschäftsmodelle ändern sich und neue Wettbewerber drängen in angestammte Märkte. Wer am Ball bleiben will, muss die Digitalisierungspotenziale ausschöpfen. Digitale Technologien helfen, Prozesse zu optimieren und Kosten zu senken. Sie sind Hebel für mehr Wachstum, können die Produktivität steigern und treiben Innovation an.
com! professional: Und welchen Einfluss hat die Digitalisierung auf die Geschäftsmodelle? In der Luftfahrt geht es doch darum, Passagiere und Fracht von A nach B zu bringen …
Bachmann: Natürlich ist die Luftfahrtbranche eine tradi­tionsreiche Branche mit Geschäftsmodellen, die auch heute noch funktionieren. Grosses Potenzial steckt aber zum Beispiel in der Datenauswertung. Bei einem datenbasierten Geschäftsmodell könnte ein Unternehmen etwa Informationen zum Passagierverhalten an Flughäfen auswerten und darauf aufbauend eine Navigations-App entwickeln.
Auch plattformbasierte Geschäftsmodelle sind die Zukunft. Dabei können über eine digitale Plattform etwa Luftfracht und Flugzeuge zusammengebracht werden.
com! professional: E-Tickets, Online-Check-in … – ist die Luftfahrt nicht schon ziemlich digital?
Bachmann: Die Luftfahrtbranche hat noch Aufholpotenzial. Fast die Hälfte der Unternehmen sehen sich selbst als digi­tale Nachzügler. Das zeigt eine Befragung im Auftrag des Bitkom. Demnach zählen zwar 46 Prozent der Konzernchefs ihr Unternehmen zu den digitalen Vorreitern. Fast genauso viele Unternehmen sehen sich allerdings im Hintertreffen.

In Zehn Jahren verschmelzen An- und Weiterreise

Konrad Best, Leiter Digital bei der Flughafen München GmbH
Quelle: Flughafen München GmbH
Wie verändert die Digitalisierung die Flug­häfen? com! professional spricht darüber mit Konrad Best, Leiter Digital bei der Flughafen München GmbH.
com! professional: Herr Best, warum ist das Thema Digitalisierung für das Flughafen-Business so wichtig?
Konrad Best: Unsere Kunden und Passagiere haben gelernt, dass beim Einkaufen und bei Dienstleistungen die Auswahl und Bewertung der Angebote digital erfolgen kann. Auch der Flughafen München wird die Kontaktpunkte zu den Passagieren digitalisieren. Dienstleistungen am Flughafen können dann im Vorfeld geplant und gebucht werden. So wird etwa in Zukunft die Anreise zum Flughafen via App digital plan- und buchbar.
com! professional: Externe Parkplatzanbieter, Shopping bei Amazon & Co. und dank Online-Check-in kommt man erst kurz vor dem Abflug zum Flughafen – ist die Digitalisierung nicht auch eine Gefahr für Flughäfen, die mittlerweile einen grossen Teil ihres Umsatzes im Non-Aviation-Bereich generieren?
Best: Gerade im Umfeld Parken bietet die Digita­lisierung ebenso viele Chancen wie Risiken. Die Auswertung der Verhaltensdaten unserer Passagiere ermöglicht es uns, passgenaue Angebote zu entwickeln. So kann es uns gelingen, Passagiere, die heute bei externen Parkplatzanbietern parken, wieder zum Flughafen München zurückzuholen. Schon heute sind Parkplätze digital buchbar. Im Wettbewerb mit den digitalen Marktführern müssen wir unsere Stärken ausspielen. Wenn wir genau wissen, wer wann abfliegt und landet und was dessen Bedürfnisse sind, können wir digital zur richtigen Zeit die richtigen Angebote platzieren.
com! professional: Was meinen Sie, wie sieht das Abfliegen und Ankommen am Flughafen München in zehn Jahren aus? Was wird sich verändern?
Best: Vieles scheint möglich: In zehn Jahren verschmelzen An- und Weiterreise. Der Passagier plant seine intermodale Reise zu Hause auf dem Sofa. Die Koffer werden am Vortag schon von einem autonom fahrenden Gepäckwagen abgeholt und verladen. Der Transport zum Flughafen erfolgt ebenfalls mit einem autonom fahrenden Fahrzeug, welches nach Ankunft selbsttätig parkt und sich wieder auflädt. Wartezeiten gibt es nicht mehr.




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