Verfassungswidrig und ineffizient 30.05.2017, 09:35 Uhr

Facebook kritisiert deutsches Gesetz gegen Hass im Netz

Justizminister Heiko Maas erntet heftige Kritik für sein geplantes Gesetz gegen Hass und Hetze im Netz. Facebook nennt den Entwurf verfassungswidrig und ineffizient, und auch von Journalisten- und Wirtschaftsverbänden gibt es Widerstand.
(Quelle: Shutterstock.com/aradaphotography)
Facebook wehrt sich mit scharfen Worten gegen das vom deutschen Justizminister Heiko Maas (SPD) geplante Gesetz gegen Hass und Hetze im Netz. Der Entwurf sei verfassungswidrig, zu unklar formuliert und könne die Meinungsfreiheit einschränken, kritisierte das weltgrösste Online-Netzwerk in seiner ersten ausführlichen Stellungnahme zu dem Entwurf. Zudem gebe es das Risiko, dass sich mehr Menschen radikalisierten, weil sie auf nicht regulierte Plattformen abwandern.
Der Entwurf sieht vor, dass offenkundig strafbare Inhalte innerhalb von 24 Stunden gelöscht werden sollen. In komplizierteren Fällen bekommen die sozialen Netzwerke sieben Tage Zeit. Bei Verstössen drohen Bussgelder von bis zu 50 Millionen Euro.

Widerstand von Journalisten- und Wirtschaftsverbänden

Gegen den Gesetzentwurf gibt es bereits erheblichen Widerstand, unter anderem von Journalisten- und Wirtschaftsverbänden. Maas will ihn noch vor der Sommerpause durch den Bundestag bringen. Wenn ihm das nicht gelingt, wäre der Gesetzentwurf mit Ablauf der Wahlperiode nichtig.
"Private soziale Netzwerke unter Androhung von Bussgeldern zu verpflichten, Posts zu löschen, kann ein effektives Mittel sein, um kritische politische, gesamtgesellschaftliche oder themensensible Meinungsäusserungen aus den sozialen Netzwerken zu verbannen", warnte Facebook in der Stellungnahme, die der dpa am Montag vorlag. Zuvor hatte die "Wirtschaftswoche" über das elfseitige Papier berichtet.
Facebook befürchtet demnach, dass am Ende zur Sicherheit auch legitime Beiträge entfernt werden. Alle Online-Netzwerke würden sich "die Frage stellen, ob sie bei einem - wie praktisch häufig - nicht eindeutigen Ergebnis ihrer Prüfung zur Vermeidung von hohen Bussgeldern Beiträge eher löschen als bestehen lassen". So könne für Nutzer "der Eindruck entstehen, dass private soziale Netzwerke legitime Beiträge auf staatlichen Druck zensieren". Eine mögliche "unbeabsichtigte Folge" könne sein, dass solche Nutzer auf andere, nicht regulierte Plattformen abwandern.
Zudem beklagt Facebook unpräzise Formulierungen wie eine unscharfe Definition des Begriffs "soziales Netzwerk". Bei der Bagatellgrenze von zwei Millionen Nutzern, ab der das Netzwerkdurchsetzungsgesetz greifen soll, bleibe unklar, auf welchen Zeitraum sich die Zahl bezieht und wie dabei mit Mehrfach- oder Fake-Accounts umgegangen werde. Der Entwurf sei "mit dem verfassungsrechtlich garantierten Bestimmtheitsgrundsatz unvereinbar", resümierte Facebook.

Selbstregulierung müsse ausgebaut werden

Facebook glaube, dass das aktuelle System der Selbstregulierung "vielversprechend" sei und ausgebaut werden müsse. "Der Rechtsstaat darf die eigenen Versäumnisse und die Verantwortung nicht auf private Unternehmen abwälzen. Die Verhinderung und Bekämpfung von Hate Speech und Falschmeldungen ist eine öffentliche Aufgabe, der sich der Staat nicht entziehen darf."
Das Justizministerium verwies am Montag auf frühere Äusserungen von Maas zu ähnlichen vorgebrachten Argumenten. So hatte er sich bereits gegen den Vorwurf gewandt, das Gesetz könne zu einer Einschränkung der Meinungsfreiheit führen. Es gehe "darum, dass Äusserungen, die gegen Strafgesetze verstossen, aus dem Netz gelöscht werden", schrieb Maas unter anderem in einem Facebook-Eintrag vor rund zehn Tagen. "Die Meinungsfreiheit endet eben da, wo das Strafrecht beginnt."
Auch teile er die Befürchtung nicht, dass die Netzwerke aus Furcht vor Sanktionen lieber einmal mehr als einmal zuwenig löschen, schrieb Maas damals. "Die Betreiber der sozialen Netzwerke haben ein wirtschaftliches Interesse an allem, was bei Ihnen erscheint. Mit jedem einzelnen Post, Tweet oder Beitrag verdienen sie Geld. Ihr wirtschaftliches Interesse spräche also dagegen, dass Sie nun umfassend auch Einträge löschen, die nicht strafbar sind."




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